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Titel: Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein Thriller
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hier überleben?“
     
    „Keine Ahnung. Eine Stunde, vielleicht zwei. Wir müßten den Notarzt fragen.“
     
    Cohen verlagerte sein Gewicht, zog die Beine an seinen Körper heran, um ein noch geringeres Ziel zu bieten und holte das Funkgerät aus seinem Gürtel. Der Geräuschpegel war so gering eingestellt, daß er kaum etwas verstehen konnte.
     
    „Ferndiagnose, Doc“, sprach er in das Mikrofon. „Ich geb ihnen jetzt eine kurze Beschreibung des Mannes durch. Können wir ihn bewegen, ohne ihn umzubringen?“
     
    Das Funkgerät klickte. Joe hörte nur ein Rauschen, aber Cohens Gesichtsausdruck sagte ihm alles, was er wissen mußte. Die Augen schienen kleiner zu werden, der Mund verzog sich, als hätte der junge Officer gerade in die größte Zitrone gebissen, die er an einem Obststand auf dem Union Square Greenmarket hatte finden können.
     
    Cohen steckte das Funkgerät weg.
     
    „Unmöglich“, flüsterte er. „Der Doc sagt, wir würden ihn umbringen, bevor wir ihn auch nur aus dem Laden rausgebracht haben.“
     
    Da stöhnte der Mann hinter ihrem Rücken auf.
     
    „Bitte“, kam das leise Flüstern aus dem Supermarkt, das Joe das Gefühl gab, ein Teil seines Körpers hätte sich in Sekundenschnelle in Eis verwandelt. „Bitte helft mir. Ich weiß nicht…nicht, wer…bitte…“
     
    Joe schluckte. Er hatte die Augen geschlossen, seinen Revolver gegen die Stirn gelehnt, so daß der Lauf in den Himmel zeigte. Es sah so aus, als würde der gigantische Lieutnant kleiner werden, irgendwie schrumpfen, während er anfing zu beten.
     
    Er hatte es nicht gehört.
     
    Du hast das nicht gehört, Joe.
     
     
     
    04:38
     
    Die Stimmen rissen David aus seiner Bewußtlosigkeit. Wenn er auch nicht wußte, was sie miteinander sprachen. Sie waren leise und kaum zu hören, nicht mehr als das Räuspern von Fremden auf der anderen Straßenseite. Und doch hörte er sie. Er versuchte, seinen Arm nach oben zu heben, schaffte es erneut nicht. Und in seinem Mund war der Geschmack von Ekel und Erbrochenem und Blut, und er wollte nur sterben.
     
    „Bitte…“, flüsterte er.
     
    Vielleicht hörten sie ihn nicht. Er hatte Angst, daß sie ihn nicht hörten. „Bitte helft mir…ich weiß nicht…weiß nicht…wer…“
     
    Draußen war es ruhig. Niemand antwortete ihm. Sie hatten ihn nicht gehört.
     
    Er war allein.
     
    Er würde allein sterben.
     
     
     
    04:39
     
    Joe Kovacs traf eine Entscheidung.
     
    Es war nicht die schlimmste Entscheidung, die er bisher in seinem Leben hatte treffen müssen. Und es war die logische Entscheidung,  konnte er sich später beruhigen. Die einzig richtige Entscheidung.  Aber das änderte nichts daran, daß er sich in dem Moment, in dem er sie treffen mußte, wie ein Feigling vorkam.
     
    Daß er glaubte, er hätte einen anderen Menschen zum Sterben verurteilt, weil er zu feige gewesen war, ein Risiko in Kauf zu nehmen.
     
    „Wir kommen wieder“, flüsterte er dem sterbenden Mann auf der anderen Seite der Schaufensterscheibe zu. Dem Mann, der sich jeden Moment seine Rippen in die Lunge drücken konnte, mit jeder unbedachten Bewegung, die er machte. Joe lief zusammen mit Cohen zurück zum ersten Streifenwagen, den ganzen Weg in einer geduckten Haltung.
     
     
     
    04:39
     
    Es blieben nur noch Julie Winters, Josh Dannerman, Gwen Nelson und Officer Charles Foster. Die anderen waren tot.
     
    Gwen hatte nach David sehen wollen, fand ihn nicht bei den Leichen, die hier im hinteren Teil des Harper‘s herumlagen, von denen sie nicht einmal die Hälfte kannte.
     
    Nicht nachdenken.
     
    Überleben. Sie war schwanger. Sie würde  überleben.
     
    Das hatte sie sich geschworen. Und das endgültig. Und trotzdem erwischte sie sich immer wieder dabei, wie sie über David nachdachte. Vielleicht war er herausgekommen. Sie hatte seine Leiche nicht gesehen. Vielleicht war er…
     
    …Turow schüttelte den Kopf. Der Mann schien Gedanken lesen zu können. „Ich hab ihn erwischt, Gwen“, meinte der Wahnsinnige. „Zwei Kugeln. Die erste ging ins Bein. Nicht so gut gezielt, schätze ich mal. Naja, wenn ich die Umstände bedenke, dann ist das verständlich, finden Sie nicht auch? Aber die zweite riß ihm die Brust auf. Er liegt irgendwo beim Schaufenster. Es wäre nicht gut, wenn Sie ihn sehen. Wird bestimmt noch schlechter aussehen als meine Wenigkeit. Wenn das überhaupt noch möglich ist.“
     
    Gwen vermochte Turows Blick nicht standzuhalten. Sie brauchte einen furchtbar langen

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