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Titel: Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein Thriller
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auf seine Stichwortzettel geworfen hatte. „Sie haben immerhin Officer Charles Foster versorgt. Und wenn Sie das nicht getan hätten…“
     
    Julie hatte ein bitteres Grinsen auf den Lippen.
     
    Ja, sie hatte Officer Foster versorgt. Später. Als er im Sterben lag, im langsamen Sterben und sie alle überzeugt waren, daß er weniger als ein oder zwei Stunden noch hatte, bevor er tot war.
     
    „Also sind Sie doch ein wenig eine Heldin, Julie, oder nicht?“
     
    Und diesmal lachte sie wirklich.
     
    Vor den Fernsehkameras und mehreren Millionen von übergewichtigen Hausfrauen, die mit Lockenwicklern im Haar auf den Sofas in ihren Wohnzimmern, während sie mit weit aufgerissenen Augen erleben wollten, was andere Menschen gefühlt haben, als sie sicher waren, daß sie alle sterben würden. Weil sie einen Echo der Angst spüren wollten, die Julie in Schweiß ausbrechen ließ, wenn sie sich erinnerte.
     
    „Eine Heldin“, antwortete Julie mit einem Grinsen und schüttelte den Kopf, bevor sie mit erstickter Stimme weitersprach. „Charlie war der Held. Vielleicht auch noch Gwen oder David, Big Mike war ein Held. Er liegt heute auf dem Brooklyn Friedhof und außer uns, die in dieser Nacht im Harper‘s waren, hat noch niemand sein Grab besucht.“
     
    Piers Morgan nickte, als würde er das verstehen.
     
    Mit ihm nickten Millionen von Zuschauern.
     
    Keiner verstand.
     
    Keiner würde es jemals verstehen.
     
    Piers Morgan wandte sich an eine Kamera, die direkt vor ihm stand und ihn in Großaufnahme auf die Bildschirme des Fernseher bringen würde.
     
    Piers lächelte.
     
    „Nach der Werbung sind wir hier mit unserer Expertenrunde, um über die Gefahren von Psychopharmaka zu reden. Das sollte auch Sie interessieren. Gehen Sie nicht weg.“
     
     
     
    01:23
     
    Julie bewegte sich.
     
    Sie stand auf und ging.
     
    Es war eine automatische Reaktion. Sie konnte den zuckenden Körper von Big Mike Garrett sehen, der von der Wucht des Geschosses vom Ladentresen weggeschleudert worden war und nun wie eine überdimensionale Stoffpuppe zwischen Mikrowellenpopcorn und Chipstüten lag. Sein Gesicht war von Erstaunen geprägt, nicht mehr. Er keuchte auf.
     
    Julie riß sich beim Gehen ein großes Stück Stoff aus ihrer Bluse, ohne darauf zu achten, daß sie sich vor einem halben Jahr für über 70 Dollar als Geburtstagsgeschenk gekauft hatte.
     
    Der rechte Ärmel war jetzt völlig zerrissen, ein Stück zerrissener Stoff noch kurz unterhalb der Schulter, der in mehreren dunkelblauen Fäden einen Teil ihres kräftigen Oberarmes verdeckte, dann war da nur noch Haut.
     
    Big Mike blubberte und spuckte Blut. Julie war vollkommen ruhig. Ein Teil von ihr hatte sich abgelöst und die Kontrolle übernommen. Man könnte sagen, daß die wirkliche Julie Winters schreiend in einem Käfig war, ängstlich und panisch, während die Krankenschwester draußen die Herrschaft übernommen. Jeder Handgriff war Routine in den 17 Jahren, die sie schon im Krankenhaus arbeitete, mehr als 100mal durchgeführt, ohne groß darüber nachzudenken.
     
    „Gehen Sie nicht weiter“, sagte eine Stimme. „Ich möchte…ich will nicht…“
     
    Julie fuhr Turow schroff ins Wort.
     
    „Wenn Sie schießen wollen, dann tun Sie es“, meinte sie mit unterdrückter Wut. „Aber ich werde verdammt nochmal nicht zusehen, wie Menschen hier verbluten.“
     
     „Nicht so“, sagte Turow, mehr zu sich selbst. “Das sollte alles nicht so passieren. Nicht so…”
     
    Julie pfiff, ein disharmonischer Ton, und verzog das Gesicht. „Dann haben Sie wirkliche Scheiße gebaut, mein Freund“, war ihre Antwort, als sie sich zu Big Mike herunterbeugte und sich die Wunde ansah. Blut sprudelte heraus, mit Lufblasen durchsetzt, in einer beinahe hellroten, fast rosafarbenen Farbe, deren Schattierung sich immer veränderte, wenn Mike atmete.
     
    Die Lunge mußte getroffen worden sein. Jeder Atemzug war eine Qual für den Mann; es gab nicht genügend Luft, die er einatmen konnte. Es war nur Blut, das sich in seinen Lungenbläschen absetzte und die feinen Verästelungen im rechten Lungenflügel verklebte. Julie fluchte leise.
     
    „I…c…cfd..“, flüsterte Mike und versuchte, nach ihr zu greifen. In seinen Augen war Angst. Todesangst. Er würde sterben und er wußte es.
     
    Julie schob die Hand mit einer sanften Bewegung weg und drückte den Fetzen ihrer Bluse auf die Wunde. Es gab ein ekelerregendes, saugendes Geräusch, als das Kleidungsstück sich

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