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Titel: Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein Thriller
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wieder sein Faust in den geöffneten Handballen. Seine Augen funkelten wütend. Er schätzte die Entfernung zwischen seinem Standort und dem Tresen ab.
     
    Vielleicht würde er es versuchen. Wenn Turow einen kurzen Moment abgelenkt war, dann würde er es bestimmt versuchen, den wahnsinnigen Mann zu überwältigen.
     
    Die Frau, die sie vorher in dem Gang mit den Teigwaren gesehen hatte – diejenige, die sich geweigert hatte, mit nach vorne zu kommen, hatte sich in einer Ecke zusammengekauert und starrte mit klinischer Gelassenheit auf den Fußboden.
     
    „Wie in Frisco“, murmelte sie manchmal, leise und von kurzen Weinkrämpfen unterbrochen, ganz genauso wie in Frisco.“
     
    Gwen spürte an ihrer Seite das Holz des Regals. Sie zuckte zusammen.
     
    Ben! dachte sie, aber die stumm ausgesprochene Bitte war unvollständig und blieb nur kurz in ihrem Verstand. Jemand kam.
     
    Aus ihren Augenwinkeln sah sie, wie Turows Körper sich anspannte. Die Pistole wurde angehoben. Gwen sah dies alles mit erschreckender Klarheit, mit einer emotionellen Kälte, die sie selbst erschreckte, ganz so, als würde sie einen Film sehen.
     
    Sie war nicht hier. Das war alles nicht wirklich.
     
     
     
    01:21
     
    Die Ladenglocke läutete. Der Ton war zu laut, zu rein in Charlies Ohren. Etwas fehlte.
     
    Das Licht fehlt. Das Licht ist nicht da.
     
    Nein, das war es nicht. Etwas anderes fehlte. Charlies Verstand versuchte sich an Harper‘s Supermarkt zu erinnern, das Bild in sich wachzurufen, das er von zahllosen Besuchen mit Norm in seinem Gedächtnis eingebrannt hatte.
     
    Das Bild eines hell erleuchteten Supermarkts, in dem mehrere Neonröhren unter der Decke angebracht waren und mit leisem Summen Elektrizität in sich aufsaugten. Männer und Frauen, die durch die Gänge spazierten, manche mit Einkaufskörben unter ihren Armen, manche mit den größeren Einkaufswagen, die von der Breite her gerade durch die einzelnen Gänge paßten.
     
    Aus den alten und klobig wirkenden Lautsprechern, die an der Decke aufgehängt waren, klang Musik, die in regelmäßigen Abständen von einer sanften Stimme unterbrochen wurde, um den Kunden ein angenehmes Gefühl beim Einkaufen zu vermitteln.
     
    Aus den Lautsprechern kam nur Statik.
     
    „Norm“, flüsterte er, „hier….“
     
    Weiter kam er nicht. Die Gestalt Norm Kelseys versperrte ihm die Sicht auf den Innenraum. Charlie konnte nur Bewegungen wahrnehmen, Schatten die über das Glas der Scheibe zu huschen schienen. Sein Fuß trat in eine klebrige Masse.
     
    Norm sagte etwas. Es klang überrascht, dann erschrocken. Charlie achtete nicht darauf. Die klebrige Masse war rot. Sie war rot und sie sah genauso aus wie…
     
    … die Flecken auf den kleingemahlenen Steinen, die er am Ground Zero gesehen hatte, Sprenkel von tiefem, dunklen Rot, wo einmal Menschen gewesen waren, Menschen, die hier gearbeitet hatten, Menschen, die er mit jedem Atemzug in sich aufnahm und die in ihm weitersterben würden in den nächsten Jahren…
     
    …Blut. Es hatte sich in einer großen, unregelmäßig geformten Pfütze über beinahe den gesamten Fußboden ausgebreitet. Und dann spürte er etwas an seinem Kopf vorbeifliegen und hinter ihm in die Wand einschlagen. Beton spritzte zur Seite weg, kleine Splitter trafen Charlie am Hinterkopf und ein bohrender Schmerz breitete sich in seinem Nacken aus.
     
    Er konnte nichts mehr hören.
     
    Sein rechtes Ohr war vollständig taub geworden. Auf seinem linken Ohr war ein schreckliches Summen
     
    „Norm“, schrie er. Er konnte den Schrei nicht einmal selbst hören. Etwas stimmte nicht mit dem Rücken seines Partners. Charlie brauchte einen Augenblick, um zu erkennen, was es war: Unterhalb des rechten Schulterblattes fehlte das dunkle Blau der Uniform, war ersetzt worden durch eine Wolke hellen Blutes, das aus seinem Rücken spritzte.
     
    Norm brach zusammen.
     
    Über den ganzen Rücken zog sich das helle Rot. Der ältere Mann versuchte etwas zu sagen, doch Charlie konnte nur die Mundbewegungen sehen, schnell und überdreht, wie in einem alten Stummfilm, in dem sich alle Menschen viel zu überhastet bewegten.
     
    Charlie sah dies alles, begriff dies alles in den wenigen Sekundenbruchteilen, die Norm brauchte, um mit einem faustgroßen Loch in seinem Rücken zu Boden zu sinken.
     
    Die nächste Bewegung war reflexartig, schnell, ruhig, als ob sich ein Teil seines Verstandes abgelöst hatte und nun die Kontrolle über den Körper übernahm, während die

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