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Titel: Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein Thriller
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erhalten?
     
    Drei Stunden? Vier Stunden?
     
    Er mußte in ein Krankenhaus.
     
    „Ich werde ihn nicht allein hier vorne liegen lassen“, sagte Julie mit ruhiger Stimme. Es erstaunte sie selbst, mit welcher Ruhe sie gerade ihr mögliches Todesurteil unterschrieben hatte. Und doch…sie würde den Mann hier nicht sterben lassen.
     
    Und wenn du vorher den Mut gefunden hättest, eine Warnung zu rufen, nur eine kleine Warnung, dann wäre Big Mike noch am Leben, der ältere Polizist wäre noch am Leben und dieser Junge würde nicht sterben. Besser eine Menge Mut am falschen Ort als ein bißchen zur richtigen Zeit?
     
    Aber Turow reagierte nicht. Er nickte nur und erwiderte: „Gut. Nehmen Sie ihn  mit nach hinten. Der Junge kann Ihnen dabei helfen.“
     
    Gwen Nelson hatte die Finger gegen ihre Wange gepreßt. Die Fingerspitzen waren mit feuchtem Rot durchnäßt.
     
    „Warum tun Sie das?“ fragte die junge Frau Turow. „Warum bringen Sie uns nicht einfach alle um und sind fertig, verdammt nochmal? Was zum Teufel wollen Sie?“
     
    Ihre Stimme klang kehlig und wütend.
     
    Julie nahm den Polizisten und legte seinen Arm auf ihre Schulter, um ihn stützen zu können. Josh stützte den Mann auf der anderen Seite. Der Polizist stöhnte, als sie ihn anhoben.
     
    Turow sah Gwen an.
     
    „Ich mag keine Montage, “ sagte er.
     
    Er lächelte sie traurig an.
     
     
     
    01:24
     
    William Theodor Jarvinen lebte seit über vierzig Jahren im Village; er war über sechzig Jahre alt – wie alt genau, wußte vielleicht nicht einmal seine Sozialversicherung. Er war kein New Yorker, aber, Scheiße, wer war das schon?
     
    Jeder in seiner Nachbarschaft kannte ihn. Manche mochten ihn, manche haßten ihn, die meisten aber beachteten ihn nicht mehr. Er war zu einem Teil der Nachbarschaft geworden, wie der koreanische Gemüsehändler am Ende des Blocks und wie die NYU – William Jarvinen gehörte halt irgendwie dazu.  Und die Studenten der Universität hatte schon mehrmals nachgefragt, wer der alte Mann denn sei, der auf der 8ten oder 9ten Straße und schrie einen Wildfremden auf der Straße an, weil der beispielsweise einen Kaugummi ausgespuckt hatte.
     
    Jeder Tag hatte seinen eigenen, vorher schon festgelegten Rhythmus, den William Theodor Jarvinen, von seinen Freunden Bill genannt (kaum jemand nannte ihn so) fünfzehn Jahre zuvor ausgearbeitet hatte, als seine Frau gestorben war und er das Gefühl gehabt hatte, langsam wahnsinnig zu werden, falls er den ganzen Tag in der kleinen Drei-Zimmer-Wohnung verbringen würde.
     
    Lynn war in jedem Möbelstück, in der ganzen pedantischen Ordnung, die sie dort errichtet hatte. Sie war im Wohnzimmer mit der einfachen Wolldecke, die über das Sofa gezogen worden war, als der ursprüngliche Stoff fadenscheinig wurde und Bill und sie nicht genügend Geld hatten, ein neues zu kaufen. Bill war froh, wenn er den Tag über nicht in der Wohnung war. Aber die Nacht kam.
     
    Die Nacht kam und er mußte zurück, denn die Straßen draußen waren nicht sicher, nicht für einen alten Mann, der sein linkes Bein vom Knie abwärts an in Vietnam gelassen hatte und ihm in einer Notoperation in einem schmutzigen Feldlazarett hatte amputiert werden müssen.
     
    Und nachts…nachts konnte er nicht schlafen. Er lag in dem Bett und versuchte einzuschlafen und er konnte es nicht, denn dann mußte er an Lynn denken, Lynn, die neben ihm gelegen hatte, mit ihrem ruhigen, regelmäßigen Atem, der ihn häufig in seinen Schlaf begleitet hatte. Der ihn daran erinnert hatte, daß er nicht in Vietnam war, daß die Schlitzaugen keine paar hundert Meter entfernt in dem dichten Dschungel auf ihn warteten, mit AK-47 und Minen und Fallgruben.
     
    Aber Bill war nicht dumm.
     
    Er fand eine Lösung. Oder vielmehr – er kaufte sie. In einem Geschäft, das drei Querstraßen von der Canal Street entfernt war und gebrauchte Teleskope im Angebot hatte. Er brauchte keines der teuren Geräte. Ein einfaches 20-20 Teleskop reichte ihm aus.
     
    Die Wohnung war im vierten Stock und von seinem Wohnzimmerfenster konnte er einen Teil der 9ten Straße überblicken und sogar ein Stück in die Fifth Avenue hinein, wenn auch in den letzten Wochen dort nicht mehr als eine große Baustelle zu sehen gewesen war, Planen und Metallgerüste und Schrott.
     
    Und so saß er häufig im alten, fleckigen Sessel und beobachtete. Es waren häufig nicht viel mehr als einige Passanten, die auf der Straße liefen. Liebespärchen, die sich

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