Liz Balfour
zusammengefaltetes und ziemlich zerknittertes Blatt Papier aus der Rocktasche, in die sie auch ihre Zigarettenschachtel gestopft hatte. »Hier, lies es in Ruhe durch. Es ist eine Verleumdungsklage. Simon
Simm behauptet, ich würde Lügen über ihn erzählen. Dabei hat er mir meine Entwürfe gestohlen.«
Ich überflog das Schreiben. Es war tatsächlich von Benjamin unterschrieben worden. Heute Morgen am Telefon hatte er gesagt, etwas sei »schiefgelaufen«. Hatte er Kate damit gemeint? War es das, womit ich mich nicht belasten sollte? Kein Wort hatte er darüber verloren, nur allgemeine Andeutungen gemacht, die alles und nichts bedeuten konnten. Dabei wusste er, wie wichtig mir Kate war.
»Ich ruf ihn sofort an.«
Kate legte mir ihre Hand auf den Arm, bevor ich nach meinem Handy greifen konnte.
»Lass es. Es ist zu spät. Die Presse hat längst Wind von der Sache bekommen. Du hast auch davon wahrscheinlich nichts mitbekommen?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Natürlich nicht. Du hast ganz andere Probleme. Deirdre. Das Cottage. Dein Knöchel. Und dann komme ich auch noch an und…« Sie brach ab, biss sich auf die Lippen und drehte sich von mir weg. Mühsam drückte ich mich von der Bank hoch und hangelte mich zu ihr, um sie in die Arme zu nehmen. Ich dachte, sie würde weinen, aber sie stand nur da, wich meinem Blick aus und schwieg. Nach einer Weile setzten wir uns wieder auf die Bank. Ihr Kopf lehnte an meiner Schulter. Ich hatte immer noch den Arm um sie gelegt.
»Es ging einmal quer durchs Internet. Vielleicht wird es diese Meldung sogar in die Printausgaben schaffen. Ganz egal, wie es ausgeht, ich bin geliefert. Meine kleine, bescheidene Karriere ist vorbei. Ich werde hingestellt als
rachsüchtiges, frustriertes Weib und er als das arme, unschuldige Opfer von Neid und Missgunst.«
»Benjamin hat gesagt, du hättest dich mal bei Simon Simm beworben. Davon hast du mir nie etwas erzählt. Du wolltest doch nie für ein großes Label arbeiten. Schon gar nicht für ein Luxuslabel wie das, bei dem Simm damals war.«
Sie setzte sich aufrecht hin und straffte die Schultern. »Das war, nachdem es in meinem Laden gebrannt hatte, weil diese Verrückte aus dem dritten Stock in den Keller gegangen war und gezündelt hatte. Dasselbe Jahr, in dem meine Mutter starb. Ich dachte, ich könnte nie wieder weitermachen. Dir ging es immer noch so schlecht wegen…« Sie stockte.
»Wegen Alan«, half ich ihr weiter. »Sag es ruhig.«
»Ja. Wegen Alan. Ich hörte, dass Simm einen Designassistenten suchte. Also schickte ich ihm meine Unterlagen. Ich kannte ihn bis dahin nur dem Namen nach, aber dann sah ich mir Interviews mit ihm an und recherchierte im Netz. Und da wurde mir schnell klar: Selbst, wenn ich eine Zusage bekommen würde, ich würde nie für ihn arbeiten wollen. Mir war selten jemand so unsympathisch. «
»Simm?«, wunderte ich mich. »Ich finde, er ist ein bisschen überdreht, aber nicht wirklich unsympathisch.«
»Ach, ihn habe ich nie persönlich kennengelernt, mir reichten seine albernen Interviews. Ich hörte eine ganze Weile nichts mehr, nachdem ich mich beworben hatte. In der Zeit rappelte ich mich auf und entschied mich, weiter für meinen Laden zu kämpfen und unabhängig zu bleiben. Ich habe dir nichts davon erzählt, weil es für
mich einfach nur ein Brief war, den ich rausgeschickt und gleich wieder vergessen hatte.«
»Die Brandschutzversicherung zahlte ja auch«, erinnerte ich mich.
»Ja, und die Bank gab mir einen günstigen Kredit. Wochen später bekam ich einen erwartungsgemäß arroganten Brief von Simm, in dem er mir absagte, aber das war mir längst egal.«
Ich erinnerte mich daran, was mir Benjamin über sein Gespräch mit Simon Simm erzählt hatte. »Du hast Simon Simm wirklich nie persönlich getroffen?«
»Nein. Nur letztens einen seiner fiesen Assistenten, das hab ich dir doch erzählt.«
Ich sah auf und dachte nach. Sollte ich wirklich ganz offen mit ihr reden? Oder meinem Mann gegenüber loyal sein? Eine Sternschnuppe fiel. Und ich hatte immer geglaubt, Sternschnuppen seien reserviert für die romantischen Momente im Leben. Schnell schloss ich die Augen und dachte: Alles wird gut. Dann sah ich Kate an, traf eine Entscheidung und sagte: »Simm behauptet etwas anderes. Er sagt, du hättest eine Szene gemacht, nachdem du die Absage bekommen hast. Deshalb hätte er dir so etwas wie Hausverbot erteilt und einen Vermerk gemacht, damit auch zukünftige Assistenten von ihm wissen, dass sie
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