Liz Balfour
dich nicht in seine Nähe lassen dürfen.«
Kate lachte bitter auf. »Davon ist kein Wort wahr! Oder hast du das etwa geglaubt?«
»Benjamin glaubt es.«
»Und jetzt?«
Der fehlende Schlaf der letzten Nacht und die Medikamente, die man mir gegeben hatte, machten mich müde.
Gleichzeitig war ich so aufgeregt, dass ich am liebsten losgerannt wäre, um Adrenalin abzubauen. Allein der Gedanke, dass ich mich in der nächsten Zeit nur langsam bewegen können würde, machte mich schrecklich nervös und wütend zugleich. »Es wird nach so langer Zeit niemand mehr beweisen können, ob du wirklich da warst oder nicht. Nun steht Aussage gegen Aussage.«
»Weil man eher einem bekannten Modedesigner, der sein grünes Gewissen entdeckt hat, glauben wird als einer armen kleinen Schneiderin, die seit Jahren in einem winzigen Laden im Souterrain hockt?«
Ich versuchte mich zu konzentrieren. Im Krankenhaus hatte man mir Tabletten gegen die Schmerzen im Knöchel gegeben. Ihre Wirkung musste schon vor einiger Zeit nachgelassen haben, und gerade jetzt wurde der Schmerz unerträglich. Ich bat Kate, mir aus der Küche ein Glas Wasser zu holen. Die Tabletten steckten noch in meiner Hosentasche.
Als sie zurück war und ich etwas eingenommen hatte, fragte ich: »Du hast dich doch damals mit eigenen Entwürfen vorgestellt. Das waren aber nicht die, die er jetzt verwendet?«
»Nein.«
»Und du hast immer noch keine Idee, wie er da rangekommen sein könnte?«
»Absolut keine.«
»Was ist mit Simms Assistenten, könnte einer von denen bei dir eingebrochen sein?«
Kate verdrehte die Augen. »Ich hab nie etwas von einem Einbruch bemerkt. Aber möglich ist alles, nicht wahr?«
»Ich fürchte, es sieht schlecht aus«, sagte ich.
»Ich weiß.«
»Hast du einen Anwalt kontaktiert? Benjamin hatte doch jemanden für dich rausgesucht. Einen Experten, sagte er.«
Kate schnaubte. »Der Herr Experte hat mich wieder weggeschickt mit den Worten: ›Kindchen, das wird ein Kampf gegen Windmühlen, da kann Ihnen keiner helfen. Ohne den geringsten Beweis, dass diese Entwürfe von Ihnen stammen, kommen wir keinen Schritt weiter.‹«
»Das hat er gesagt?«
Sie nickte.
»Hast du denn keine Vorentwürfe? Irgendwas auf dem Computer gespeichert? Fotos gemacht?«
»Doch. Aber er sagte, das könnte alles nachträglich manipuliert worden sein, und unsere Chancen wären gleich null, weil eidesstattliche Erklärungen von Simms Mitarbeitern vorliegen. Diese Leute behaupten, sie hätten den Entwicklungsprozess verfolgt und seien sogar teilweise noch mit daran beteiligt gewesen. Es gibt Fotos und Dateien und alles, was man sich wünschen kann. Genau wie bei mir. Nur dass ich keine Zeugen habe.«
»Das ist schlecht«, bestätigte ich.
»Und jetzt verklagt er mich noch«, sagte Kate düster und sah starr auf die schwarze See. »Glaubst du mir denn wenigstens?«
»Ich will dir glauben, weil ich dich kenne. Ja.«
»Damit stellst du dich gegen deinen Mann.« Sie nahm ihre Augen nicht vom Meer, als sie das sagte.
Ich folgte ihrem Blick zu dem schwarzen Horizont, an dem sich die Grenze zwischen Wasser und Himmel aufgelöst hatte, sodass die Sterne genauso gut im Meer
schwimmen konnten. Ich dachte darüber nach, was sie gerade gesagt hatte, und es schmerzte sehr, dass ich mich zwischen zwei der wichtigsten Menschen in meinem Leben entscheiden musste. Würde Benjamin mir verzeihen, wenn ich mich auf die Seite meiner besten Freundin stellte? Würde er es verstehen? Er sagte immer: »Es geht in unserem Beruf nicht darum, recht zu haben, sondern recht zu bekommen.« Sein Mandant war Simon Simm, und er sah sich verpflichtet, dessen Interessen zu vertreten. War das der Benjamin, den ich kannte? Wir waren nie in der Situation gewesen, dass wir uns beruflich gegen einen engen Freund stellen mussten, und ich hatte auch nie geglaubt, dass so etwas einmal passieren würde. Vielleicht hätte Benjamin Simm als Mandanten gar nicht angenommen, wenn von vorneherein klar gewesen wäre, dass Kate Schaden nehmen würde. Aber darüber zu spekulieren, war nun müßig. Benjamin war ein verständnisvoller, liebenswerter Mensch. Hatte er einen Plan B für Kate? Würde er ihr auf inoffiziellem Weg aus der Klemme helfen? Rechnete er am Ende sogar damit, dass ich ihr half?
Nein, Benjamin ging immer den direkten Weg und war damit so erfolgreich geworden. Es brachte nichts, mir hier den Kopf zu zerbrechen. Ich musste mich wirklich entscheiden, und ich fühlte, dass ich keine Wahl hatte.
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