Liz Balfour
wieder zu bewegen. Mit den Fingerspitzen berührte ich meine zitternden Lippen und zwang mich, langsam und tief zu atmen.
Ich dachte an Benjamin. Ich dachte an Keera. Ich dachte an Deirdre und Eoins Vater. Es durfte nicht sein …
Aber weit stärker als alle meine Gedanken war ein einziges Gefühl: Ich war schon wieder dabei, mich rettungslos in ihn zu verlieben. Gegen alle Vernunft.
18.
»Sie haben Besuch, wie’s aussieht«, sagte der Taxifahrer, als wir vor dem Cottage hielten. »Bisschen spät, was? Oder hat da nur jemand die Schlüssel vergessen?«
Ich spähte durch die Dunkelheit, konnte aber kaum die dunkle Gestalt ausmachen, die vor der Haustür kauerte. In der Einfahrt stand ein kleiner schwarzer Smart. »Ich erwarte ehrlich gesagt niemanden.«
»Oh. Dann geh ich besser mal nachsehen.« Bevor ich ihn aufhalten konnte, stieg er aus und ging auf die Haustür zu. Ich konnte nicht hören, was gesprochen wurde. Es dauerte nicht lang, bis er zurückkam und sich auf den Fahrersitz schwang. »Ist ’ne Frau«, erklärte er mir. »Sieht harmlos aus.«
Keera, dachte ich erschrocken. Von wegen harmlos! Ihr wollte ich nun wirklich nicht im Dunkeln begegnen. Nicht, nachdem ihr Freund mich geküsst hatte, auch wenn man mit viel gutem Willen diesen Kuss als freundschaftliche Geste bezeichnen könnte. Mit sehr viel gutem Willen.
»Sie sagt, sie hätte zwar immer noch vor, nie wieder mit Ihnen zu reden, aber bei sich zu Hause hält sie’s auch nicht aus, und sie wusste nicht, wohin sie sonst gehen sollte. Engländerin, wie Sie. Können Sie damit was anfangen?«
Ich strahlte. »Aber sicher!« Nachdem ich gezahlt hatte, half er mir aus dem Wagen und wollte mich sogar noch zur Tür bringen, aber ich überzeugte ihn davon, dass mir ein bisschen Übung mit den Krücken nicht schaden würde.
»Was hast du angestellt?«, rief Kate entsetzt, als sie mich sah.
»Sturz von den Klippen«, sagte ich. »Na ja, fast. Halb so schlimm. Mensch, was tust du hier? Ich freu mich so, dich zu sehen!« Umständlich umarmte ich sie, verlor dabei fast das Gleichgewicht und musste mich an ihr festhalten. Wir lachten, was die Anspannung zwischen uns für einen Moment vertrieb. Ich gab ihr den Schlüssel, damit sie aufschließen konnte, und führte sie in die Küche. Wir setzten uns an den alten, vernarbten Küchentisch. Kate sprang allerdings sofort wieder auf, um für uns beide Tee zu machen.
»Ich musste dich sehen. Wie geht es Deirdre?«, fragte sie, als sie das Wasser aufsetzte.
»Sie mussten sie noch einmal operieren, weil sie einen zweiten Infarkt hatte. Ich hab mir so gewünscht, dass sie danach wieder aufwachen würde, aber…«Ich schluckte.
»Es tut mir so leid.« Kate hatte ebenfalls Tränen in den Augen. Sie kannte meine Mutter nicht, aber sie fühlte mit mir. »Wie geht es weiter?«
Ich zuckte die Schultern. »Wenn ich das wüsste. Sie hat eine Anwältin beauftragt, sich um alles zu kümmern, falls sie selbst dazu nicht in der Lage ist. Und diese Anwältin sagt nun, dass wir das Cottage verkaufen sollten, weil es in Deirdres Sinn wäre.«
»Und was sagst du?« Sie stand auf und durchsuchte die Schränke nach Tassen.
»Oben links«, dirigierte ich sie. »Ich sage: Abwarten, was in den nächsten Tagen passiert. Alles ist möglich. Das hoffe ich jedenfalls.«
»Hört sich vernünftig an.« Sie stellte zwei große Becher auf den Tisch und warf Teebeutel hinein.
»Ja. Nur gibt es einen Interessenten für das Grundstück, der gerne hätte, dass ich mich sehr bald entscheide. Die Anwältin liegt mir außerdem damit in den Ohren, dass es unverantwortlich wäre, das Angebot auszuschlagen, weil wir nie wieder so viel hierfür bekommen würden. «
Kate goss den Tee auf und warf mir kurz einen Blick über ihre Schulter zu. »Und warum willst du nicht verkaufen, wenn Deirdre es will, wie die Anwältin sagt?«
Und schon waren wir bei dem schwierigen Teil des Gesprächs. »Eoin ist der Meinung …«
»Eoin?«
»Ja. Er wurde auch gefragt, ob er sein Grundstück verkaufen will, aber er weigert sich. Er sagt, dass dann die Dörfer kaputtgehen. Und die Landschaft. Der Interessent will nämlich einen Ferienpark bauen.«
»Pfui«, sagte Kate, stellte einen Becher vor mich und setzte sich mir gegenüber. »Dein Eoin hat recht.«
»Er ist nicht mein Eoin.« Ich reagierte zu heftig, als dass sie es einfach übergehen konnte.
»Aha? Er ist vergeben? Du bist verheiratet? Nein, ich kenne dich, es ist noch etwas anderes.«
»Meine
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