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Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)

Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)

Titel: Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egmont R. Koch
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Omar al-Qawasmeh war ein völlig unbescholtener Palästinenser. Er arbeitete als Maurer und Maler mit einem seiner Söhne zusammen, sie hatten sich auf Renovierungen spezialisiert. Viele ihrer Kunden lebten in Israel. Die beiden al-Qawasmehs pendelten beinahe täglich über die Grenze, es liegen kaum vierzig Kilometer zwischen Hebron und Jerusalem. Nie gab es Probleme. Warum also stand er auf der israelischen Todesliste?
    Schon Sekunden nachdem ihr Job erledigt ist, kommen den Elite-Soldaten offenbar erste Zweifel. Ihre Zielperson mit dem Namen Wael al-Bitar soll Mitte dreißig sein, so steht es in ihrem Laptop, dieser Mann, der reglos in seinem blutdurchtränkten Bett liegt, ist zweifellos viel älter. »Einer von ihnen hielt mir seine Waffe an den Kopf und forderte mich auf, ihm den Ausweis meines Mannes zu bringen«, erinnert sich die Witwe, »er verglich ihn mit den Angaben in seinem Computer und fragte mich dann: ›Wo wohnt Wael al-Bitar?‹ Ich sagte ihm, im Stockwerk unter uns!«
    Plötzlich herrscht eine gespenstische Atmosphäre im Haus der al-Qawasmehs. Funkgeräte quäken durcheinander, die Soldaten machen Meldung, erhalten neue Befehle. Etwas könnte fürchterlich schief gelaufen sein. Ihr Ton wird jetzt noch schroffer. Einer fragt: »Wer wohnt hier sonst noch?« »Ich sage ihm, mein behinderter Sohn schläft dort in seinem Zimmer, er kann nicht allein aufstehen«, erzählt Subhiyeh. Sie holen ihn, einer der Soldaten habe sogar mit demFuß nach ihm getreten, wird sie später versichern. Dann soll sie seinen Ausweis zeigen, muss dafür einen Stuhl an den Kleiderschrank im Schlafzimmer schieben, genau dort, wo ihr Mann in seiner Blutlache liegt. »Als ich herunter stieg, trat mein Fuß in seine Gehirnmasse.«
    Im Obergeschoss jammern die Enkel der al-Qawasmehs, dort wohnt Subhiyehs Sohn Subhi mit seiner Familie. Alle sind durch den Lärm wach geworden. »Wir durften die Wohnung nicht verlassen«, sagt Subhi, »ich sah durch das Fenster, immer mehr Soldaten trafen ein. Dann schleppten sie meinen Vater auf einer Trage aus dem Haus.« Und er sieht Wael al-Bitar mit erhobenen Händen, umzingelt von Duvdevan-Soldaten mit Maschinenpistolen im Anschlag. Nach den Schüssen habe sich ihr Mann sofort nach draußen geschleppt, erzählt hinterher Sana al-Bitar, seine Ehefrau. »Und dann nahmen sie ihn fest. Sie konnten ihn ja nicht auch noch erschießen. Ich bin sicher, sie waren eigentlich gekommen, um Wael hinzurichten.«
    »Der israelische Armee-Stützpunkt rief uns an«, erinnert sich Maher al-Qadi vom Medizinischen Notdienst in Hebron an jene Nacht, das müsse so gegen 4 Uhr gewesen sein. »Sie hätten einen Verletzten, den wir abholen sollten. Sie brachten dann eine Bahre mit einer verhüllten Leiche. Als ich die Decke anhob, sah ich, dass der Mann kein Gesicht mehr hatte. Es war weggeschossen worden und Teile des Gehirns fielen auf den Boden.« Die Israelis hätten sich geweigert, irgendwelche Angaben über die Hintergründe zu machen, sagt al-Qadi. »Sie zwangen uns unter Waffengewalt, die Leiche mitzunehmen.«
    Zur gleichen Zeit finden sich im Haus der al-Qawasmehs Verwandte und Nachbarn ein, um Trost zu spenden und mit der Familie zu trauern. Omar al-Qawasmeh ist jetzt ein Märtyrer. Seine Beerdigung in Hebron wird tags darauf zu einem Protestmarsch gegen die israelische Besatzung und gegen die Armee, die ihren Fehler inzwischen eingeräumt hat. In der palästinensischen Presse erscheinen wütende Beiträge, in israelischen Tageszeitungen und in der Washington Post kurze Berichte: In Hebron wurde ein falscher Mann von einer Undercover-Einheit der israelischen Armee erschossen.
    Falsche Haustür genommen: Der völlig unbescholtene palästinensische Handwerker Omar al-Qawasmeh wurde von einem israelischen Mordkommando im Schlaf erschossen.
    Der Fall hat eine Vorgeschichte. Sie zeigt, was das Motiv der Israelis war, Wael al-Bitar ohne Gerichtsverfahren zum Tode zu verurteilen: Rache. Am 4. Februar 2008 sprengt sich vor einem Einkaufszentrum in Dimona, im Süden Israels, ein palästinensischer Terrorist in die Luft und reißt dabei eine 73-jährige in Russland geborene Jüdin mit in den Tod. Ein zweiter Attentäter, der verletzt am Boden liegt, wird von einem israelischen Sicherheitsmann erschossen, bevor er seinen Sprenggürtel zünden kann.
    Zwölf Verletzte müssen ins Krankenhaus eingeliefert werden. Es ist der erste Selbstmordanschlag in Israel seit Jahren. Verteidigungsminister Ehud Barak fliegt sofort mit

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