Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)
aus dem Hinrichtungsgeschäft zurückgezogen«. Blieben also noch die Amerikaner, die nach 9/11 ohnehin ihre Skrupel weitgehend abgelegt hatten.
Wie eine Depesche der US-Botschaft in Tel Aviv an das State Department vom 31. August 2007 illustriert, plädierteMeir Dagan damals bei einem Gespräch mit einem hochrangigen Vertreter der Bush-Administration dafür, iranische Oppositionsgruppen stärker in die eigenen Bemühungen einzubinden; er zählte dazu Studentenbewegungen, aber auch ethnische Minderheiten wie Kurden, Azeris (aus Aserbaidschan) und Baluchs (aus Baluchistan). Die Diskussion über »verdeckte Maßnahmen« wurde bei dem Treffen allerdings bewusst ausgespart. Der Mossad-Direktor erwähnte deshalb nicht, dass solche Oppositionsbewegungen auch für die Drecksarbeit gegen iranische Atomwissenschaftler vorgesehen waren.
Der Feind meines Feindes ist mein Freund: Die Israelis hatten speziell eine sunnitische Gruppe namens Jundallah (»Gottes Soldaten«) im Visier, die in der Provinz Baluchistan, entlang der pakistanischen Grenze, ihr Unwesen trieb, Drogen schmuggelte und vor allem blutige Anschläge auf Schiiten verübte. Die auch als People’s Resistance Movement of Iran ( PRMI ) bezeichnete Organisation war 2003 von Abdolmalek Rigi gegründet worden, verfügte über fast eintausend Kämpfer, die in den Bergen lebten und sich häufig über die Grenze nach Pakistan zurückzogen; auf das Konto von Jundallah gingen grauenvolle Massaker und Gemetzel, Entführungen, Hinrichtungen und Enthauptungen, die auf Video aufgenommen und zu Propagandazwecken ins Netz gestellt wurden.
Die Blutspur der sunnitischen Terroristen von der PRMI ist lang: Am 16. März 2006 wurden bei einer Straßenblockade nahe Tasooki 21 Zivilisten erschossen; am 14. Februar 2007 wurden in Zahedan achtzehn Mitglieder der Revolutionären Garden durch eine Autobombe getötet; am 13. Juni 2008 wurden sechzehn iranische Polizeioffiziere nach Pakistan verschleppt und dort ermordet; am 25. Januar 2009 wurden zwölf iranische Polizeibeamte entführt und ermordet; am 28. Mai 2009 wurden bei einem Bombenanschlag auf die Moschee von Zahedan 25 Zivilisten getötet und 125 verletzt;am 18. Oktober 2009 wurden bei einem Selbstmordanschlag in der Region Pishin 42 Menschen getötet, darunter sechs Offiziere der Revolutionären Garden; am 26. Juli 2010 wurden bei einem doppelten Selbstmordanschlag in einer anderen Moschee in Zahedan 27 Menschen ermordet.
Der Iran beschuldigte regelmäßig die Vereinigten Staaten, Jundallah mit Logistik, Waffen und Dollars zu unterstützen, was die Regierung George W. Bush stets vehement dementierte – die Vereinigten Staaten würden niemals Terror mit Terror bekämpfen. Aber es blieben Zweifel, die durch Recherchen des amerikanischen Journalisten Seymour Hersh genährt wurden. Hersh schrieb im Juli 2008, dass der Kongress dem damaligen Präsidenten einen Geheimetat von vierhundert Millionen Dollar bewilligt habe, um Jundallah und andere militante Bewegungen im Iran zu unterstützen. Das sei Teil einer sogenannten black operation des Geheimdienstes CIA, um das Regime der Mullahs zu destabilisieren. Natürlich erfuhr auch der Mossad davon. Er beschloss, so wie es aussieht, sich die amerikanischen Kontakte zu Jundallah für eine eigene blauweiße Operation zu Nutze zu machen. Meir Dagans Plan war, Jundallah-Terroristen anzuwerben, auch als Lohnkiller gegen iranische Wissenschaftler, und dabei unter »falscher Flagge« zu segeln. Die Kollegen in Langley und der Präsident in Washington sollen hinterher überhaupt nicht amüsiert gewesen sein.
»Tief in den Archiven der amerikanischen Geheimdienste existiert eine Reihe von Memoranden, die im letzten Jahr der Bush-Administration geschrieben wurden«, beginnt der Historiker Mark Perry seinen Artikel in der angesehenen US-Zeitschrift Foreign Policy und fährt fort: »Darin wird beschrieben, wie israelische Mossad-Operateure Mitglieder der Terrorgruppe Jundallah rekrutierten und sich dabei als CIA-Leute ausgaben.«
Die Anwerbungsgespräche der Mossad-Agenten, die als amerikanische Agenten posierten, hätten vornehmlich in London stattgefunden, erfuhr Perry, die Dreistigkeit der Israelis sei dabei erstaunlich gewesen. »Die Treffen fanden fast in aller Öffentlichkeit statt und sie scherten sich einen Teufel darum, was wir davon hielten«, zitiert Perry einen US-Geheimdienst-Offizier. Präsident Bush »ging regelrecht an die Decke, als er davon erfuhr«. Aber er habe sich offenbar
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