Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)
einem Hubschrauber nach Dimona, um seine Solidarität mit den Opfern zu demonstrieren. Auf einer Pressekonferenz verspricht er, die palästinensischen Hintermänner zu jagen. Seine Botschaft ist unmissverständlich: Wir werden sie finden und töten.
Fünf Monate nach dem Anschlag von Dimona wird Shihab al-Natsheh, einer der angeblichen Drahtzieher des Anschlags von Dimona, ein Mitglied des militärischen Arms der Hamas, in Hebron aufgestöbert und nach einem Schusswechsel getötet. Doch die Jagd geht weiter. Wael al-Bitar, ebenfalls zur Hamas gehörig, soll mit al-Natsheh zusammengearbeitet und jüdische Siedler in der Gegend von Hebron angegriffen haben. Doch bevor die Israelis ihn liquidieren können, nimmt ihn die palästinensische Autonomiebehörde (PA) in »Schutzhaft«. Im Gefängnis ist er vorläufig sicher vor der Rache der Israelis. Sein Haus wird daraufhin von israelischen Militär-Bulldozern in Schutt und Asche gelegt, eine übliche Maßnahme gegen verdächtige Terroristen. Al-Bitars Familie, Frau und fünf Kinder, findet im Haus von Omar al-Qawasmeh Unterschlupf, er ist der Onkel von Wael al-Bitar. Und die Wohnung im Erdgeschoss steht gerade leer.
Am 6. Januar 2011 wird al-Bitar mit fünf weiteren Hamas-Aktivisten, ausgezehrt und schwach nach einem vierzigtägigen Hungerstreik, auf eigenen Wunsch von der PA auf freien Fuß gesetzt. Die Entlassung ist Ergebnis eines Streits zwischen der auf der Westbank verantwortlichen Fatah und der Hamas, die im Gaza-Streifen regiert. Sie will für die Sicherheit ihrer Mitglieder in Hebron garantieren. Die Hamas habe sämtliche Warnungen der Fatah-dominierten PA in den Wind geschlagen, das Leben ihrer sechs Leute sei in akuter Lebensgefahr, sobald sie das Gefängnis verließen, empörte sich Adnan Dumairi von der palästinensischen Sicher heitsbehörde.
Die israelischen Streitkräfte schicken noch in derselben Nacht eine Duvdevan-Einheit auf den Weg. Sie haben über ihre palästinensischen Spitzel unverzüglich von der Freilassung al-Bitars aus der Haft erfahren und wollen nun ohne Verzögerung das seit zweieinhalb Jahren existierende geheime Todesurteil vollstrecken. Doch weil das Kommando die falsche Tür nimmt, endet die Rache der Israelis für Dimona mit einem Fiasko.
Eine Salve in den Kopf, eine in den Körper: Verwandte und Nachbarn identifizieren die Leiche des irrtümlich hingerichteten Omar al-Qawasmeh.
Die israelischen Streitkräfte (IDF) stellten zunächst überhaupt in Abrede, dass eine Exekution geplant gewesen sei. Zwar wurde der irrtümliche Tod eines Unbeteiligten in einer ersten Pressemitteilung bestätigt, allerdings habe das Opfer Omar al-Qawasmeh sich im Haus des Terroristen al-Bitar aufgehalten, als der von der Duvdevan-Einheit festgenommen werden sollte. Die Fakten wurden verdreht. Und »festgenommen«? Zwei Wochen später, nach einer internen Untersuchung des Falles, wurde die Erklärung des Militärs noch unwirklicher: Die Armee »bedaure den Tod al-Qawasmehs zutiefst«, aber der habe in seinem Schlafzimmer eine »verdächtige Bewegung« unter der Bettdecke gemacht, durch die sich die beiden Elitesoldaten bedroht gefühlt und deshalb »in völliger Übereinstimmung mit den IDF-Vorschriften« geschossen hätten. Notwehr an einem schlaftrunkenen Mann gewissermaßen.
Der israelische Philosophieprofessor Asa Kasher hält diese Erklärung der Armee für völlig absurd. ›Ich fühlte michbedroht‹ sei kein ausreichender Grund, zu schießen. Es hätte eine tatsächliche Gefahr geben müssen, die es offensichtlich nicht gab. »Eine Bewegung unter der Bettdecke reicht dafür nicht aus!«, sagt Kasher, der völlig unverdächtig ist, die IDF leichtfertig zu kritisieren. Im Gegenteil: Er berät die Militärführung in ethischen Fragen, was ihm in israelischen Medien den zweifelhaften Ruf eingebracht hat, eine Art Hausphilosoph der Streitkräfte zu sein, der selbst für brutales Vorgehen gegen die Palästinenser noch eine moralische Rechtfertigung finde.
Einige Monate nach dem Tod des Familienoberhauptes beauftragten dessen Witwe und Söhne den palästinensischen Rechtsanwalt Majed Ghanayem, gegen die Regierung zu klagen. »Wir wollten die Hintermänner im Militär für den Mord zur Verantwortung ziehen«, sagt Subhi al-Qawasmeh. Ghanayem, ein freundlicher Mittvierziger, etwas schwergewichtig und kurzatmig, aber voller Energie, besitzt eine Zulassung in Israel und betreibt in der Ha-Rav Cook Street in Jerusalem mit einem Partner zusammen eine winzige
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