Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)
zwei Wochen überprüft werden«, schrieb er an Gottlieb, als fiebere er jedem konspirativen Treffen entgegen. Der große Magier war offenbar fasziniert von den Abgründen in der klandestinen Welt, in der man sich so leichtfüßig über moralische Spielregeln und gesetzliche Beschränkungen hinwegsetzte. Die noch junge CIA zog damals mit ihren »covert operations«, verdeckten Operationen, viele Ostküsten-Intellektuelle in den Bann. Gesucht wurden »the very best men«, junge, tatkräftige, intelligente, aber auch skrupellose Absolventen der Elite-Universitäten, die sich bedenkenlos in den Dienst der vermeintlich richtigen und gerechten Sache stellten.
Im November 1953 lieferte Mulholland seine ersten fünf Kapitel bei der CIA ab. Doch er wies auch gleich auf Lücken bei der Ausarbeitung hin: Beim Einsatz von Agentinnen müssten beispielsweise völlig andere Techniken verwendet werden als bei deren männlichen Kollegen. Dass geschlechtsspezifische Gepflogenheiten zu beachten sind, wenn es um die Ermordung gegnerischer Spione oder politischer Feinde geht, erschließt sich erst, wenn man einen der Tricks aus Mulhollands Ratgeber, der bekannt wurde, unter die Lupe nimmt. Und der geht etwa so:
Der CIA-Mann sitzt mit seinem Opfer am Tisch, vor beiden steht, sagen wir, ein Whiskey-Glas. Das potentielle Opfer möchte eine Zigarette rauchen. Der Agent holt mit der linken Hand blitzschnell eine Streichholzschachtel aus der Tasche, fasst sie mit Daumen und Zeigefinger, zündet mit der rechten Hand das Streichholz an und führt es an die Zigarette. Damals wäre das als ein Akt gebotener Höflichkeit zu verstehen gewesen, deshalb verschwendet der Todgeweihte keinen Gedanken an böse Absichten dahinter, konzentriert sich vielmehr auf die Flamme, um sich nicht versehentlich an ihr zu verbrennen. Diese Ablenkung nutzt der Agent, führt die Streichholzpackung in seiner linken wie zufällig über das Glas, kratzt mit dem Mittelfinger ein auf der Rückseite fixiertes, gut getarntes Pulver ab und lässt es unter der Hand in den Whiskey rieseln, wo es sich sofort und ohne sichtbare Spuren auflöst.
Da es schwer vorstellbar war, dass sich eine Frau in einer solchen Situation in vergleichbarer Weise einem Mann nähert, lag es auf der Hand, dass Mulholland für weiblicheCIA-Agenten andere Tricks und Täuschungen ersinnen musste. Sidney Gottlieb war offenbar sehr angetan von der Professionalität seines Beraters und verlängerte das Projekt erst bis zum Frühjahr, dann bis zum Herbst 1954. Zwischen dem Magier und dem Giftmischer hatte sich ein enges Vertrauensverhältnis entwickelt. Ende desselben Jahres war das Handbuch »C.I.A. Manual of Trickery And Deception« fertig, mit eingängigen Illustrationen von des Meisters eigener Hand. Er stellte eine perfekte Ergänzung des Ratgebers für gezielte Tötungen aus dem Jahre 1953 dar. Belegt ist die weitere Zusammenarbeit zwischen Sid und John bis ins Jahr 1958, zuletzt erhielt Mulholland einen CIA-Sold von zweihundert Dollar die Woche.
Im Jahre 1963 veröffentlichte John Mulholland sein »Book of Magic«, in dem er viele seiner Taschenspielertricks offenlegte, in dem er aber auch einen Bogen zu Hexerei und schwarzer Kunst schlug: »Zauberei und Magie«, so schrieb er im Vorwort, »sind auch das Handwerk des Teufels und von bösen Geistern«. Er wusste, wovon er sprach.
Wie viele Menschen seinen Tricks zum Opfer fielen, dürfte ewiges Geheimnis der CIA bleiben, wenn es überhaupt jemals irgendwo festgehalten wurde: Über tote Spione und feindliche Opfer blieben also der Nachwelt keine Zeugnisse erhalten. Es ist jedoch davon auszugehen, dass Mulhollands Zauberwerk, später in irgendeiner Form einging in neue Trainingsprogramme für staatliche Mordkommandos, zum Beispiel für israelische Kidon-Agenten, die vielen ihrer potentiellen Opfer bei der Tat nahe kommen, anders als ihre amerikanischen Kollegen, die Staatsfeinde heute vornehmlich aus unbemannten Drohnen und sicherer Distanz liquidieren.
Das Komitee
»Mr. Schwarz: ›Als Sie gefragt wurden, Lumumba umzubringen, oder wie immer man das bezeichnet hat, haben Sie daran gedacht, das abzulehnen? Und falls nicht, warum nicht?‹ Mr. Gottlieb: ›Angesichts meines Jobs zu jener Zeit und der Verantwortung, die ich in dem lautlosen Krieg trug, hätte mein Standpunkt der eines Kriegsdienstverweigerers sein können, war es aber nicht. Ich glaubte, dass man eine Entscheidung auf höchster Ebene diskutiert und getroffen hatte, und dass es jetzt
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