Lloyd, Sienna
gesagt?“
„Ich war in der Stadt, im roten Viertel, in einer Umkleidekabine. Dabei habe ich gehört, wie ein Mann und eine Frau miteinander gesprochen haben. Er hat euch beide erwähnt …“
„Solveig?“
„Nein. Ich habe sie darauf angesprochen, aber sie hat es geleugnet.“
Das habe ich in den vergangenen Monaten gelernt: Freunde sind selten und kostbar, es kommt nicht in Frage, Solveig zu verraten. Ich überzeuge Rebecca durch mein selbstbewusstes Auftreten, ich lerne nach und nach, wie man lügt und bin darauf nicht wirklich stolz. Rebecca steht auf und dreht mir den Rücken zu, eine Hand ist bereits auf dem Türknauf.
„Warum hast du es ihm gesagt?“
„Weil er sich seit deiner Rückkehr überfordert fühlt … Es war nicht fair.“
„Was du mir angetan hast, wird dir teuer zu stehen kommen. Ich weiß noch nicht, wann und wie, aber du kannst dich darauf verlassen!“
Theatralisch schlägt sie die Türe zu. Ich breche in Tränen aus. Ich weine nicht aus Angst oder Wut, ich bin hysterisch vor Eifersucht. Der Floh, den mir Rebecca ins Ohr gesetzt hat, macht mich wahnsinnig. Haben sich die beiden wirklich geliebt? Auch wenn Gabriel nicht über sein Liebesleben gesprochen hat, war ich überzeugt, dass angesichts der Spannungen zwischen ihnen nichts mehr läuft. Ich bin verärgert. Angewidert. Was habe ich mir gedacht? Was habe ich getan? Ich drücke mir ein Kissen auf das Gesicht und schreie. Ich weine lange Zeit, ich heule mir die Augen aus und schlafe erschöpft vor Kummer und Wut auf dem Kissen ein.
* * *
Tag 61
Ich habe eine Woche lang nicht geschrieben. Ich denke, ich habe diese Zeit gebraucht, um meine Begegnung mit dem Drachen zu verdauen. Die Zeit der Freundlichkeiten ist vorbei; ich habe in meinem Leben nur wenige Personen gehasst, aber Gabriels Frau ist bei Weitem diejenige, die mir am meisten wehgetan hat, und das absichtlich. Vielleicht ist es vermessen von mir, als ihre größte Rivalin, die offizielle Ehefrau zu kritisieren, aber auch abgesehen von mir ist Rebecca wirklich keine nette Person. Stimmungsschwankungen, Überheblichkeit, Lügen, ihr Egoismus … Ich frage mich noch immer, wie ein Mann wie Gabriel sich in eine Frau wie sie verlieben konnte.
Ich habe über meine Situation nachgedacht und mir ein Ultimatum gesetzt: Wenn ich am 31. Dezember um Mitternacht noch immer kein Lebenszeichen von Gabriel habe, verlasse ich das Haus. Wozu hierbleiben, wenn er nicht da ist?
Die Türe öffnet sich und Sol lächelt mich an.
„Hallo, mein Mäuschen, wie geht es dir?“
„Ich bin keine Maus, ich bin ein Schwan, wenn du dich noch erinnerst!“
„Mein Gott, du warst an diesem Abend so schön! Der ganze Abend war wunderschön! Antoine und ich sind bis zum Morgengrauen geblieben, die Sonne ist aufgegangen, und dann …“
Als mir Tränen in die Augen steigen, hört Solveig auf zu schwärmen.
„Oh nein, das wollte ich nicht, ich bin so dumm, entschuldige …“
„Es ist nicht deine Schuld. Ganz im Gegenteil, ich freue mich für dich, du hast gesagt, dass du nicht mehr an die Liebe glaubst, dass dieser Weg mit Lügen und Enttäuschungen gepflastert ist … Das erlebe ich gerade.“
„Hast du noch nichts von ihm gehört?“
„Nein, und heute Abend werde ich packen.“
„Was? Nein!“
„Wo soll das hinführen, Sol? Die Zeit vergeht und ich muss weiterleben …“
„Rebecca ist auch verschwunden. Sie wollte mir nicht erklären, warum, aber sie hat mir gesagt, dass sie dir nicht mehr über den Weg laufen will.“
„Das ist lächerlich, das hier ist schließlich ihr Zuhause. Ich muss gehen.“
„Oh, mach' dir keine Sorgen, sie ist im linken Flügel, bei Edgar …“
„Eine seltsame Flucht.“
„Sie suchen nach Gabriel. Ich glaube, dass sich der Ärmste nach diesem Schock versteckt, bis er diese Geschichte verdaut hat. Danke übrigens!“
„Wofür?“
„Dass du Rebecca nicht gesagt hast, woher du es weißt.“
„Ich ärgere mich schon so sehr, dass ich es ihm gesagt habe, da wollte ich nicht auch noch eure Freundschaft zerstören.“
„Ach, weißt du, seitdem ich mit dir spreche, zeigt sie mir ohnehin die kalte Schulter … Aber ich will mich nicht darüber beschweren, ich habe ja Antoine.“
„Er ist wirklich toll, dank ihm und Charles war Weihnachten angenehm.“
Solveig gibt mir ein Küsschen und verlässt fröhlich das Zimmer. Ich freue mich ehrlich, dass sie so verliebt ist. Ich hatte gedacht, ich würde ein weiteres trauriges Weihnachten verbringen, wie
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