Lob der Faulheit
Umweltzerstörung werde die Gewinne der Konzerne um ein Vielfaches übertreffen. Der Grund für den Niedergang des Westens sei der Triumph des Finanzkapitalismus. Das österreichische Club-of-Rome Mitglied Karl Wagner sagt ab 2020 eine Revolution der jungen Generation voraus, die schließlich zu nachhaltigerem Wirtschaften führen werde. Andere glauben dagegen, dass sich rechtzeitig nichts mehr ändern werde.
Ich denke, dass die grundsätzlichen Aussagen des Club of Rome richtig sind. Man braucht kein Prophet zu sein, um ein Ende unserer Wirtschaftsweise vorauszusehen. Zentrale Annahmen der Menschheit haben sich als falsch erwiesen: dass die Erde eine Scheibe sei und die Sonne sich um die Erde drehe. Der Glaube, unendliches quantitatives Wachstum sei möglich, wird sich ebenfalls als unzutreffend erweisen.
Mehr Wachstum brauchen wir in qualitativer Hinsicht. Mehr positive Faulheit, mehr Entspannung, mehr Pausen, mehr Zufriedenheit, mehr Liebe. Qualitativem Wachstum sind keine Grenzen gesetzt. Unermessliches Glück, unendliche Liebe, grenzenlose Gelassenheit: das wären bessere Ziele als der größenwahnsinnige Versuch, die Profite jedes Jahr zweistellig zu steigern.
Wer mit sich im Reinen ist, braucht keine Millionen. Nur diejenigen, deren Selbstwertgefühl beschädigt ist, streben nach immer mehr materiellem Besitz. Das belegen psychologische Studien. Je leerer man sich innen fühlt, desto stärker wird die Notwendigkeit, im Äußeren einen Ersatz dafür zu finden.
Sicher trägt auch die spirituelle Krise dazu bei, dass so viele Menschen verzweifelt nach äußerem Halt suchen. Glaubt man, man habe nur dieses eine Leben und dann sei alles für immer vorbei, ist es nur folgerichtig, dass man so lebt, als gebe es kein Morgen. Die Priester predigen wie die Politiker Wasser und trinken Wein. Die römischen Päpste treten ähnlich wie die englische Queen in ständig wechselnden Garderoben auf. Vom Vermögen der Kirche fließt erstaunlich wenig in karitative Zwecke.
Den Menschen auf Erden nichts als Mühe und Arbeit zu verheißen, ist im Grunde genommen eine Verachtung der göttlichen Schöpfung. Ich habe im ersten Teil des Buchs ausführlich dargelegt, wie stark solche Glaubenssätze unser Handeln noch heute beeinflussen. Im Namen Gottes werden nicht nur fleißig Kriege geführt, sondern Faulheit wird sogar als Todsünde angesehen.
Dabei ist das eigentliche Problem der menschliche Fleiß. Er ist die neue Todsünde. In Kombination mit Atomwaffen, Atomkraftwerken, Industrierobotern und all den anderen mächtigen Werkzeugen, die die Menschen in den vergangenen zweihundert Jahren geschaffen haben, führen Disziplin und Fleiß uns in den Abgrund.
Es ist dringend erforderlich, dass wir weltweit fauler werden und so wirtschaften, dass wir die Lebensgrundlagen nicht zerstören. Da materieller Reichtum keine Voraussetzung für Glück ist, werden wir keine Einbuße an Lebensqualität erleiden, wenn wir weniger produzieren und konsumieren. Dann haben wir endlich Zeit, mit unseren Freunden zusammenzuleben, uns sinnvoll zu beschäftigen und anderen zu helfen. Diese bisher vernachlässigten Tugenden machen das wahre Glück aus.
Und dann ist Feierabend
Nein, die Welt bricht nicht zusammen, wenn wir fauler werden. Sie wird es jedoch tun, wenn wir so weitermachen wie bisher. Trotz Disziplin und Fleiß haben wir keinen sozialen Frieden in Europa, kein Gesundheitssystem, das zu völligem körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefinden führt, keine Schulen, die die SchülerInnen zu einem glücklichen, zufriedenen Leben befähigen, keine Justiz, die Gerechtigkeit schafft, keine Politik, die das Wohl der Allgemeinheit garantiert, keine Wirtschaft, die unser Überleben dauerhaft sichert.
Feierabend meint nicht den Zusammenbruch, sondern eine fast vergessene Gewohnheit. Am Abend die Arbeit ruhen zu lassen, den Tag zu preisen und sich der Früchte der Anstrengungen zu erfreuen: Diese Fähigkeit ist uns weitgehend abhandengekommen.
Ich kann mich noch gut erinnern, dass das Leben vor 50 Jahren nicht nur aus Arbeit bestand. Selbst in einer Großstadt wie Berlin schlossen die meisten Läden zwischen 13 und 15 Uhr. Die Ladeninhaber kochten sich ein Mittagessen und machten ein kleines Schläfchen. Es gab ein Innehalten inmitten der Betriebsamkeit. Danach ging es weiter bis 18 Uhr, bei einigen bis 18.30 Uhr. Dann machten die Läden bis zum nächsten Morgen zu. Das Leben beruhigte sich. Eine
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