Lob der Faulheit
angenehme Entspanntheit breitete sich aus.
Am Samstag war meist gegen 13 Uhr Schluss. Am Nachmittag und am Sonntag hatten die meisten frei. Im Sommer dudelte irgendwo aus einem Fenster vielleicht ein Radio. Irgendjemand
wusch an einer Pumpe mit einem Eimer Wasser und Seife sein Auto. Die Autos hatten noch Winker und schöne Augen. (Zeige mir deine Autos und ich sage dir, wer du bist. Die heutigen Modelle haben fiese Gesichter. Es sind Monster. Sie sind so groß, dass sie nur noch von Panzerspähwagen zu übertreffen sind.)
Autos spielten noch keine große Rolle. An den Kreuzungen waren kaum Ampeln. Erst als es immer mehr Pkw wurden und sich die Unfälle häuften, wurden welche aufgestellt. Ich konnte die Straßen als Kind noch gefahrlos überqueren, konnte mit dem Roller unterwegs sein, ohne befürchten zu müssen, unter die Räder zu kommen. Das hat sich gründlich verändert. Auf den Verkehrswegen herrscht Krieg zwischen Autofahrern, Monstertrucks, Fahrradfahrern und Fußgängern. Die Fahrräder sind keine Alternative zum Auto geworden, sondern belasten zusätzlich die Straßen. So war das nicht gemeint.
»You think you’re in heaven, but you’re living in hell« singt Bob Marley in »Time will tell«. So schlimm ist es nicht. Früher war nicht alles besser. Aber wenn die Schilderung des Feierabends in Ihren Ohren wie eine Idylle klingt, kann ich sagen: Das war es auch. Die meisten Menschen sind heute nicht mehr faul genug, ihre freie Zeit mit seligem Nichtstun zu verbringen.
Zugegeben, es war manchmal langweilig. Aber im Radio »Lazy Sunday Afternoon« zu hören, war eine Offenbarung. »Close your eyes and drift away«. Kann es sein, dass so viele verlernt haben, zu tagträumen? »What a day for a daydream.«
Wer sich auch nur ein bisschen Sinn für Faulheit erhalten hat, weiß, was ich meine. Die Zukunft wird – wenn es denn eine gibt – faul sein. Inklusive Feierabend.
Zum Schluss möchte ich Ihnen ein paar Anregungen mit auf den Weg geben, wie Sie negative Disziplin durch positive Faulheit ersetzen können; denn Faulheit will gelernt sein:
– Überlegen Sie sich bei allem, was Sie tun, genau, was Sie wollen. Ohne klare Ziele ist es schwer, effektiv zu handeln. Eigentlich eine Binsenweisheit. Trotzdem ist vielen nicht bewusst, was Sie beruflich und privat überhaupt vorhaben.
– Folgen Sie dem Lustprinzip! Ja, Sie haben richtig gelesen: dem Lustprinzip! Wie wollen Sie sich motivieren, wenn Sie in dem, was Sie tun, keinen Sinn sehen und noch weniger Spaß empfinden? Die Alternative wäre Angst. Das funktioniert auch. Aber wollen Sie wirklich nur aktiv werden, wenn Ihre Angst größer ist als Ihre Unlust?
– Wenden Sie das Prinzip der kleinen Schritte an. Die machen nicht viel her, sind aber in der Summe unschlagbar. Die meisten Menschen überschätzen, was an einem Tag möglich ist, und unterschätzen, was man in einem halben Jahr schaffen kann. Die Japaner haben mithilfe dieses Prinzips ihre enormen wirtschaftlichen Erfolge erzielt. Sie nennen es »Kaizen«: ständige, kleine Verbesserungen. (Nicht empfehlenswert ist hingegen eine andere japanische Gepflogenheit: »Karoshi«. Das ist der plötzliche Tod durch Überarbeitung.)
– Suchen Sie sich effektive, erfolgreiche Vorbilder. Man muss das Rad nicht neu erfinden. In fast jedem Arbeits- und Lebensbereich gibt es Menschen, die den Weg, den man beschreiten möchte, bereits mit Erfolg gegangen sind. Egal ob man eine glückliche Beziehung führen, einen guten Studienabschluss erreichen oder den Mount Everest besteigen möchte:
Fast immer findet man gute Anleitungen, zunehmend sogar wissenschaftlich fundierte.
– Falls Sie allein nicht weiterkommen, lassen Sie sich beraten. Lesen Sie gute Ratgeber oder suchen Sie sich einen kompetenten Coach. Die meisten SportlerInnen trainieren unter Anleitung. Immer mehr Manager und Privatleute lassen sich coachen. Warum sollten Sie auf eine Unterstützung, die Ihnen das Leben leichter macht, verzichten?
– Setzen Sie sich für die Einführung eines bedarfsdeckenden, bedingungslosen Grundeinkommens ein, egal ob Sie es selbst benötigen würden oder einfach anderen helfen wollen, ein gutes Leben zu führen. Das persönliche Glück hat Grenzen. Wenn um Sie herum immer mehr Menschen verarmen, beeinträchtigt das auch Ihr Wohlbefinden, es sei denn, Sie hätten ein Herz aus Stein. Informieren Sie sich, welche Parteien ein solches Grundeinkommen befürworten. Im Internet finden Sie Bündnisse, denen
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