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Lob der Stiefmutter

Lob der Stiefmutter

Titel: Lob der Stiefmutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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und er sehnte sich sehr nach ihr. Heute nacht, in dem kleinen traurigen Zimmer des Touristenhotels, würde er sie noch mehr vermissen. Nichts Neues zu Hause? Nein, nichts. Paß gut auf dich auf, mein Liebling. Doña Lukrezia hörte ein wenig Musik, allein in ihrem Zimmer, und als das Kind kam, um ihr gute Nacht zu sagen, gab sie ihm den Gruß kühl zurück. Kurze Zeit darauf wies sie Justiniana an, ihr das Schaumbad zu bereiten, das sie immer vor dem Schlafengehen nahm.
    Während das Mädchen das Badewasser einlaufenließ und sie sich entkleidete, kehrte das Unbehagen wieder, das sie den ganzen Tag verfolgt hatte, jetzt noch um einiges verstärkt. Hatte sie recht daran getan, Fonchito so zu behandeln? Gegen ihren Willen bekümmerte es sie, an sein enttäuschtes und erstauntes kleines Gesicht zu denken. Aber war dies denn nicht die einzige Möglichkeit, mit einer Kinderei Schluß zu machen, die gefährlich werden konnte?
    In der Badewanne, das Wasser bis zum Hals, döste sie vor sich hin und brachte nur dann und wann mit einer Hand oder einem Fuß die Schaumspiralen in Bewegung, als Justiniana an die Tür klopfte: Dürfte sie hereinkommen, Señora? Sie sah sie näher treten, das Handtuch in der einen, ihren Morgenmantel in der anderen Hand. Ihre Miene war sehr besorgt. Sofort wußte sie, was das Mädchen ihr gleich zuflüstern würde: »Fonchito ist dort oben, Señora.« Sie nickte und befahl Justiniana mit einer gebieterischen Geste zu gehen.
    Lange verharrte sie reglos im Wasser und vermied, zur Decke zu blicken. Sollte sie es tun? Mit dem Finger auf ihn zeigen? Schreien, ihn beschimpfen? Schon ahnte sie das Gepolter hinter der dunklen Glaskuppel, die sich über ihrem Kopf wölbte, und stellte sich die kleine, niedergekauerte Gestalt vor, ihren Schrecken, ihre Scham. Sie hörte Fonchitos rauhen Aufschrei, sie sah, wie er davonsprang. Er würde ausrutschen, mit donnerndem Getöse bis in den Garten poltern. Bis zu ihr würde der trockene Aufschlag des kleinen Körpersdringen, wenn er auf die Balustrade aufschlüge, die Krotonhecke niederdrückte, sich in den verhexten Zweigen des Stechapfels verfing. ›Reiß dich zusammen und beherrsch dich‹, sagte sie sich mit zusammengepreßten Zähnen. ›Vermeide einen Skandal. Vermeide vor allem alles, was in einer Tragödie enden könnte.‹
    Der Zorn ließ sie von Kopf bis Fuß zittern, und ihre Zähne schlugen aufeinander, als wäre ihr sehr kalt. Plötzlich erhob sie sich. Ohne sich mit dem Handtuch zu verhüllen, ohne sich zusammenzuducken, damit diese kleinen unsichtbaren Augen ihren Körper nur unvollständig und flüchtig zu Gesicht bekämen. Nein, im Gegenteil. Sie stand auf, reckte sich steil empor, öffnete sich, und bevor sie aus der Badewanne stieg, streckte sie die Glieder, zeigte sich ausgiebig und obszön, während sie sich die Plastikhaube abnahm und die Haare schüttelte. Und als sie aus der Badewanne gestiegen war, zog sie sich nicht sogleich den Morgenmantel an, sondern verharrte nackt, den Körper mit glänzenden Wassertröpfchen bedeckt, gespannt, kühn, zornig. Sie trocknete sich ganz langsam ab, Glied für Glied, ließ das Handtuch wieder und wieder über ihre Haut gleiten, drehte sich zur Seite, neigte sich, hielt bisweilen in einer Haltung unanständiger Selbstvergessenheit inne, wie abgelenkt durch einen plötzlichen Gedanken, oder betrachtete sich eingehend im Spiegel. Und mit der gleichen manischen Umständlichkeit rieb sie danach ihren Körper mitfeuchtigkeitsspendenden Cremes ein. Und während sie sich in dieser Weise vor dem unsichtbaren Beobachter produzierte, bebte ihr Herz vor Zorn. Was tust du, Lukrezia? Was sind das für Anstrengungen, Lukrezia? Aber sie fuhr fort, sich zur Schau zu stellen, wie sie es noch niemals für jemanden getan hatte, nicht einmal für Don Rigoberto; sie wanderte im Badezimmer hin und her, nackt, während sie sich die Haare bürstete, die Zähne putzte und sich mit Kölnisch Wasser besprühte. Während sie dieses improvisierte Schauspiel aufführte, kam ihr wie eine Ahnung der Gedanke, daß das, was sie tat, auch eine subtile Form war, den frühreifen Libertin, der dort oben in der Nacht hockte, mit Bildern einer Intimität abzuschrecken, die ein für allemal mit dieser Unschuld aufräumen würden, deren er sich als Alibi für sein dreistes Verhalten bediente.
    Als sie ins Bett ging, zitterte sie noch immer. Lange Zeit konnte sie nicht einschlafen; sie sehnte sich nach Rigoberto. Sie war verärgert über das, was sie

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