Lob der Stiefmutter
leidenschaftlichste Liebespaar.
Jetzt, in ebendiesem Augenblick, werden Justiniana und ich unser Schauspiel für ihn inszenieren, und Foncín, der einfach im Hintergrund bleibt, zwischen der Felswand und dem Waldstück, wird ebenfalls für uns in seiner Rolle auftreten.
Nicht lange, und diese ewige Reglosigkeit wird zu Leben erwachen und sich in Zeit, in Geschichte verwandeln.Die Spürhunde werden bellen, im Wald wird es zwitschern, das Wasser des Flusses wird murmelnd zwischen den Kieseln und den Binsen dahinfließen, und die prallen Wolken werden in den Orient reisen, von der gleichen verspielten Brise getrieben, die auch die fröhlichen Locken meiner Favoritin in Aufruhr bringt. Sie wird sich bewegen, sich hinunterbeugen, und ihr kleiner rotlippiger Mund wird meinen Fuß küssen und an jeder meiner Zehen saugen, so wie man an heißen Sommernachmittagen an der Limone und der Zitrone saugt. Nach kurzer Zeit werden wir unsere Glieder ineinander verschlungen haben und in der raschelnden Seide der blauen Decke schäkern, hingegeben an die Trunkenheit, aus der das Leben keimt. Die Spürhunde werden uns umstreichen und mit dem Atem ihrer gierigen Schlünde wärmen und uns vielleicht erregt die Glieder lecken. Der Wald wird uns seufzen hören, wenn wir in Ohnmacht vergehen und plötzlich wie zu Tode verwundet schreien. Einen Augenblick später wird er unser Lachen und Scherzen vernehmen. Und sehen, wie wir in einen friedlichen Schlaf hinüberschlummern, ohne uns voneinander zu lösen.
Wenn er sieht, daß wir Gefangene des Gottes Hypnos sind, dann ist es sehr gut möglich, daß der Zeuge unseres Treibens mit unendlicher Vorsicht, um uns nicht mit dem leisen Geräusch seiner Schritte zu wecken, seine Zuflucht verläßt und uns vom Rande der blauen Decke her betrachtet.
Dort wird er sein und da wir, abermals reglos, in einem anderen Augenblick von Ewigkeit. Foncín, mit blasser Stirn und geröteten Wangen, Erstaunen und Dankbarkeit in den großen Augen, indes ein kleiner Speichelfaden aus seinem zarten Munde rinnt. Wir, verschlungen und vollkommen, im gleichen Rhythmus atmend, mit dem erfüllten Ausdruck jener, die glücklich zu sein verstehen. So verharren wir alle drei, still, geduldig, und warten auf den künftigen Künstler, der, von Verlangen getrieben, uns in Träumen einfängt und glaubt, uns zu erfinden, während er uns mit seinem Pinsel auf die Leinwand bannt.
6.
Don Rigobertos Waschungen
Don Rigoberto trat ins Badezimmer, schob den Riegel vor und seufzte. Sogleich bemächtigte sich seiner ein angenehmes, befriedigendes Gefühl von Erleichterung und Erwartung: in dieser einsamen halben Stunde würde er glücklich sein. Er war es jeden Abend, manchmal mehr, manchmal weniger, aber niemals verfehlte das ausgeklügelte Ritual, das er im Lauf der Jahre perfektioniert hatte wie ein Künstler, der an seinem Meisterwerk feilt und bessert, seine wunderbare Wirkung: es erfrischte ihn, versöhnte ihn mit seinesgleichen, verjüngte ihn und regte ihn an. Jedesmal verließ er das Badezimmer mit dem Gefühl, daß das Leben trotz allem lebenswert war. Deshalb hatte er nicht ein einziges Mal auf diese Zeremonie verzichtet, seitdem er – wie lange war das her? – auf den Gedanken gekommen war, das, was für die meisten Sterblichen eine Routine war, der sie sich mechanisch und unbewußt unterzogen – Zähne putzen, sich den Mund spülen usw. –, in eine raffinierte Beschäftigung zu verwandeln, die ihn, und sei es auch nur für ein paar flüchtige Augenblicke, in ein vollkommenes Wesen verwandelte.
Als junger Mann war er begeisterter Anhänger derKatholischen Aktionspartei gewesen und hatte davon geträumt, die Welt zu verändern. Bald war ihm klargeworden, daß dieser Traum, wie alle kollektiven Ideale, unmöglich und zum Scheitern verurteilt war. Seine praktische Ader veranlaßte ihn, seine Zeit nicht in Schlachten zu vergeuden, die er früher oder später verlieren würde. Damals begann er zu mutmaßen, daß das Ideal der Vollkommenheit vielleicht für das einzelne Individuum erreichbar sei, wenn man es räumlich begrenzte (auf die Pflege oder Gesundheit des Körpers zum Beispiel oder auf die erotische Erfahrung) und zeitlich (auf die abendlichen Waschungen und Zerstreuungen vor dem Schlafengehen).
Er zog den Bademantel aus, hängte ihn hinter die Tür und setzte sich nackt, nur mit den Hausschuhen an den Füßen, auf die Toilette, die vom Badezimmer durch einen lackierten Wandschirm abgetrennt war, auf dem ein paar
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