Lob der Stiefmutter
mir am meisten an ihr, mehr noch als ihre üppigen Hüften oder das seidige Haar ihres Schamhügels, das so angenehm im Mund kitzelt: ihre rasche Phantasie und ihr sicherer Instinkt, wenn es gilt, im Tumult dieser Welt die Quellen der Kurzweil und der Lust zu erkennen.
Seither spielen wir mit ihm, und obwohl recht viel Zeit vergangen ist, hat das Spiel nichts von seiner Unterhaltsamkeit eingebüßt und langweilt uns nie. JedenTag bringt es uns mehr Zerstreuung als am Tag davor und bereichert das Leben um neue Würze und gute Laune.
Damit nicht genug, verbindet Foncín die körperlichen Reize einer kleinen männlichen Gottheit mit dem geistigen Reiz der Schüchternheit. Die zwei oder drei Annäherungsversuche, die ich unternahm, um mit ihm zu sprechen, waren vergeblich. Er wird blaß und stürmt wie ein ungebärdiges Hirschkalb davon, bis er sich wie durch Zauberei im Gezweig der Bäume auflöst. Justiniana hat er zugeflüstert, daß der bloße Gedanke, nicht etwa mich zu berühren, sondern mir nur nahe zu sein, so daß ich ihm in die Augen blicken und zu ihm sprechen könnte, ihn kopflos und zunichte macht. »Eine solche Frau ist unberührbar«, hat er zu ihr gesagt. »Ich weiß, daß ihre Schönheit mich verbrennen wird wie die Sonne Libyens den Schmetterling, sobald ich in ihre Nähe komme.«
Deshalb spielen wir unsere Spiele im verborgenen. Jedesmal ein anderes, ein Trugbild, das jenen Theaterszenen gleicht, in denen sich die Götter mit den Menschen vermischen, um zu leiden und sich gegenseitig umzubringen, wie sie den Griechen, diesen Gefühlsmenschen, so sehr gefallen. Justiniana tut, als wäre sie seine Komplizin und nicht die meine – in Wirklichkeit ist sie seine und meine, vor allem aber ihre eigene, schlau wie sie ist –, und führt den kleinen Hirten auf einen Felsen nahe der Grotte, in der ich die Nacht verbringen werde. Dann entkleidet sie mich im Licht derhell lodernden, rötlichen Feuerzungen und salbt meinen Körper mit dem Honig der süßen Bienen Siziliens. Es ist ein lakedämonisches Rezept, um den Körper glatt und glänzend zu erhalten, und hat überdies eine erregende Wirkung. Während sie sich über mich neigt, meine Glieder reibt, sie hin und her bewegt und der Neugier meines scheuen Betrachters preisgibt, schließe ich halb die Augen. Ich gleite in den dunklen Schacht des Gefühls hinab und vibriere in kleinen wollüstigen Spasmen, während ich gleichzeitig Foncín erahne. Mehr noch: Ich sehe ihn, ich rieche ihn, ich streichle ihn, ich umarme ihn, und ich nehme ihn in mich auf, ohne daß ich ihn berühren müßte. Meine Ekstase steigert sich noch im Wissen, daß er, indes ich unter den kundigen Händen meiner Favoritin den Gipfel der Lust erklimme, ebenfalls, in meinem Rhythmus, die höchste Lust mit mir erlebt. Sein unschuldiger kleiner Körper glänzt von Schweiß, während er mich betrachtet und in meiner Betrachtung vergeht, und bringt eine zärtliche Note ins Spiel, die meine Lust belebt und versüßt.
Und so, durch Justiniana vor mir im Laubwerk verborgen, hat der kleine Hirte gesehen, wie ich schlief und erwachte, wie ich den Spieß und den Pfeil schleuderte, wie ich mich kleidete und entkleidete. Er hat gesehen, wie ich mich auf zwei Steinen niederhockte und meinen goldgelben Urin in ein klares Bächlein urinierte, an dessen Ufer er sich flußabwärts stürzen wird, um zu trinken. Er hat gesehen, wie ich Gänseköpfte und Tauben den Bauch aufschlitzte, um ihr Blut den Göttern darzubringen und aus ihren Eingeweiden die unbekannte Zukunft herauszulesen. Er hat gesehen, wie ich mich selbst liebkoste und befriedigte und wie ich meine Favoritin liebkoste und befriedigte, und er hat Justiniana und mich gesehen, wie wir inmitten der Strömung das kristallklare Wasser der Kaskade eine jede im Mund der anderen tranken und unseren Speichel, unsere Säfte und unseren Schweiß kosteten. Keine Übung oder Verrichtung, keine Zügellosigkeit und kein Ritual des Körpers oder der Seele, die wir ihm nicht dargeboten hätten, dem privilegierten Besitzer unserer Intimität von seinen wechselnden Verstecken her. Er ist unser Narr; aber er ist auch unser Herr. Er dient uns, und wir dienen ihm. Ohne daß wir uns berührt oder ein Wort gewechselt hätten, haben wir einander unzählige Male Lust bereitet. Trotz des unüberwindbaren Abgrundes, der sich ob unserer unterschiedlichen Natur und der Anzahl der Jahre zwischen uns auftut, kann man mit gutem Recht behaupten, daß wir vereinter sind als das
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