Lob der Stiefmutter
tut.«
»Fonchito hat sich nämlich in Sie verliebt, Señora«, seufzte das Mädchen. Sie hielt sich die Hand vor den Mund und lachte. »Sagen Sie nicht, daß Sie es nicht gemerkt haben, das kann ich nicht glauben.«
»Was erzählst du da für Unsinn, Justiniana.«
»Gibt es denn ein Alter für die Liebe, Señora? Manche fangen eben im Alter von Fonchito an. Wo er doch überhaupt in allem so aufgeweckt ist. Wenn Sie gehört hätten, was er mir gesagt hat, wären Sie aus dem Staunen nicht rausgekommen. Genau wie ich.«
»Was erfindest du jetzt, du dumme Gans?«
»So ist es, Justita. Wenn sie sich den Morgenmantelauszieht und in die Badewanne mit dem Schaumwasser steigt …, ich kann dir nicht sagen, was ich fühle. Sie ist so … so schön … Mir kommen die Tränen, genauso wie wenn ich die Kommunion empfange. Ich habe das Gefühl, einen Film zu sehen, sage ich dir. Es ist etwas, das ich dir nicht erklären kann. Bestimmt muß ich deshalb weinen, nicht?«
Doña Lukrezia entschied sich, in Lachen auszubrechen. Das Mädchen faßte Vertrauen und stimmte mit komplizenhafter Miene in ihr Lachen ein.
»Ich glaube nur den zehnten Teil von dem, was du mir erzählst«, sagte sie schließlich, während sie sich erhob. »Aber trotzdem, etwas muß mit diesem Kind geschehen. Man muß diesen Spielen ein Ende machen, und zwar so bald wie möglich.«
»Sie dürfen es nicht dem Señor sagen«, bat Justiniana angstvoll. »Er würde sehr ärgerlich werden und ihn vielleicht schlagen. Fonchito begreift noch nicht einmal, daß er was Schlechtes tut. Mein Wort darauf. Er ist wie ein kleiner Engel, er unterscheidet nicht zwischen Gut und Böse.«
»Das kann ich Rigoberto nicht erzählen, natürlich nicht«, überlegte Doña Lukrezia laut. »Aber man muß einen Schlußpunkt unter diese Dummheit setzen. Ich weiß nicht wie, aber es muß gleich sein.«
Sie fühlte sich verzagt und unbehaglich, wütend auf das Kind, das Dienstmädchen und auf sich selbst. Was sollte sie tun? Mit Fonchito reden und ihn tadeln? Ihm drohen, Rigoberto alles zu sagen? Wie würdeer reagieren? Sich verletzt, verraten fühlen? Würde die Liebe, die er für sie empfand, sich jetzt rasch in Haß kehren?
Als sie sich einseifte, fuhr sie liebkosend über ihre großen Brüste mit den erigierten Brustwarzen, die noch immer zarte Taille, aus der, wie die beiden Teile einer Frucht, die breiten Kurven ihrer Hüften hervorsprangen, und über die Oberschenkel, die Hinterbacken und die enthaarten Achselhöhlen und den langen, geschmeidigen Hals, den ein einsames Muttermal zierte. »Ich werde niemals altern«, sagte sie beschwörend, wie jeden Morgen, während sie ihr Bad nahm. »Auch wenn ich dazu meine Seele oder sonst was verkaufen müßte. Ich werde niemals häßlich oder unglücklich sein. Ich werde schön und glücklich sterben.« Don Rigoberto hatte sie davon überzeugt, daß diese Dinge wahr wurden, wenn man sie nur sagte, wiederholte und glaubte. »Sympathetische Magie, mein Liebling.« Lukrezia lächelte: ihr Mann mochte ja ein bißchen exzentrisch sein, aber langweilen tat man sich wirklich nicht mit ihm.
Den ganzen verbleibenden Tag, während sie den Angestellten Anweisungen erteilte, einkaufen ging, eine Freundin besuchte, zu Mittag aß, Anrufe tätigte und erhielt, fragte sie sich, was sie mit dem Kind tun sollte. Wenn sie es an Rigoberto verriet, würde sie es sich zum Feind machen, und dann ginge die alte Prophezeiung der häuslichen Hölle in Erfüllung. Vielleicht wäre es das vernünftigste, Justinianas Enthüllungenzu vergessen, eine distanzierte Haltung anzunehmen und so allmählich die auf sie bezogenen Hirngespinste aufzulösen, die das Kind sich zurechtgesponnen hatte, gewiß nur halbwegs bewußt, daß es welche waren. Ja, das war das Klügste: schweigen und nach und nach etwas Abstand zu ihm schaffen. Als Alfonsito an diesem Nachmittag von der Schule nach Hause kam und auf sie zuging, um ihr einen Kuß zu geben, wandte sie sogleich das Gesicht von ihm ab und vertiefte sich wieder in die Zeitschrift, die sie gerade durchblätterte, ohne ihn nach dem Unterricht oder nach den Aufgaben für den nächsten Tag zu fragen. Aus dem Augenwinkel sah sie, daß sein kleines Gesicht sich weinerlich verzog. Aber sie blieb ungerührt, und an diesem Abend ließ sie ihn allein essen, ohne wie sonst hinunterzugehen und ihm Gesellschaft zu leisten (sie aß selten zu Abend). Rigoberto rief sie wenig später aus Trujillo an. Seine Geschäfte waren alle gut gegangen,
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