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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
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Katzenliebhaber nicht einmal beachten würden. Zeke war so eine Katze.«
    »Das hat natürlich eine Moral, oder?« Sie schaute den Abt argwöhnisch an.
    »Nur, daß ich ihn getötet habe.«
    »Hören Sie auf! Was immer Sie sagen wollen, sagen Sie es nicht!«
    »Er wurde von einem Lastwagen überfahren, seine Hinterbeine waren zerquetscht. Er kroch unters Haus. Ab und zu gab er ein Geschrei von sich wie bei einem Kampf zwischen Katern und warf sich hin und her, aber die meiste Zeit lag er nur ruhig da und wartete. ›Man sollte ihn einschläfern‹, sagten mir die Leute immer wieder. Nach ein paar Stunden schleppte er sich unter dem Haus hervor. Schrie um Hilfe. ›Man sollte ihn beseitigen‹, sagten die Leute. Ich ließ es nicht zu. Sie sagten, es sei grausam, ihn am Leben zu lassen. So sagte ich schließlich, ich würde es selbst tun, wenn es getan werden müsse. Ich nahm ein Gewehr und eine Schaufel und trug das Tier hinaus an den Waldrand. Ich legte ihn auf den Boden, während ich ein Loch grub. Dann schoß ich ihn in den Kopf. Es war eine kleinkalibrige Waffe. Zeke zuckte mehrmals, dann erhob er sich auf die Vorderbeine und begann sich auf ein paar Büsche zuzuschleppen. Ich schoß noch einmal auf ihn. Es warf ihn um, so daß ich annahm, er sei tot, und ihn in die Grube legte. Nach ein paar Schaufeln Erde richtete Zeke sich wieder auf und kroch aus der Grube wieder auf die Büsche zu. Mittlerweile schrie ich wilder als die Katze. Ich mußte ihn mit der Schaufel totschlagen. Ich mußte ihn ins Loch zurücktun und die Schaufel wie ein Hackmesser benutzen, und während ich damit zuschlug, zuckte Zeke immer noch und schlug hin und her. Sie haben mir später erklärt, es seien nur Nervenreflexe aus dem Rückgrat gewesen, aber ich habe es ihnen nicht geglaubt. Ich kannte diesen Kater. Er wollte unter diese Büsche kriechen und dort liegen bleiben und warten. Ich wünschte bei Gott, ich hätte ihn unter diese Büsche kriechen lassen und sterben lassen, wie eine Katze stirbt, wenn man sie allein läßt: mit Würde. Ich bin mein Schuldgefühl nie losgeworden. Und Zeke war zwar nur eine Katze, doch…«
    »Halten Sie den Mund!« flüsterte die Frau.
    »… doch sogar die alten Heiden haben bemerkt, daß die Natur uns nichts auferlegt, wozu sie uns nicht auch befähigt, es zu ertragen. Und wenn das für eine Katze stimmt, ist es dann nicht viel richtiger im Falle eines Geschöpfes mit Vernunft und Willen – was immer man auch vom Himmel halten mag?«
    »Verdammt, halten Sie Ihren Mund! Seien Sie doch still!« zischte sie.
    »Wenn ich ein bißchen brutal bin«, sagte der Priester, »dann zu Ihnen, nicht zu dem Kind. Das Kind kann ja nicht verstehen, wie Sie gesagt haben. Und Sie, das haben Sie auch gesagt, beklagen sich ja nicht. Also…«
    »Also bitten Sie mich, ich soll sie langsam sterben lassen und…«
    »Nein! Ich bitte Sie nicht. Als Priester Christi befehle ichIhnen beim Allmächtigen Gott und kraft seiner Vollmacht, nicht Hand an Ihr Kind zu legen, sein Leben nicht der falschen Gottheit einer zweckdienlichen Barmherzigkeit zu opfern. Ich rate Ihnen nicht, ich beschwöre Sie und befehle Ihnen im Namen Jesu Christi, des Königs. Ist das klar?«
    Dom Zerchi hatte noch nie zuvor mit solch einer Stimme gesprochen, und die Leichtigkeit, mit der ihm die Worte über die Lippen kamen, erstaunte ihn selbst. Als er sie weiterhin anstarrte, senkte sie die Augen. Eine Sekunde lang hatte er befürchtet, das Mädchen würde ihm ins Gesicht lachen. Wenn die Heilige Kirche zuweilen andeutete, daß sie immer noch ihre Autorität als über allen Nationen und der Autorität aller Staaten stehend betrachtete, neigten die Leute in dieser Zeit zum Kichern. Und doch konnte die Rechtmäßigkeit des Befehls noch von diesem verbitterten Mädchen mit einem sterbenden Kind erfühlt werden. Es war brutal gewesen, so mit ihr umzuspringen, und er bedauerte es. Ein einfacher direkter Befehl konnte erreichen, wozu die Überredung nicht imstande war. Sie hatte nun die Stimme der Autorität nötig, mehr als sie Überredung nötig hatte. Er konnte das aus ihrer Reaktion erkennen, an der Art, wie sie nachgegeben hatte, obwohl er den Befehl so freundlich gesprochen hatte, wie seine Stimme es nur vermochte.
    Sie fuhren in die Stadt hinein. Zerchi hielt an, um einen Brief aufzugeben, er hielt noch einmal bei Sankt Michael und redete ein paar Minuten mit Vater Selo über das Flüchtlingsproblem, und er hielt ein letztesmal beim ZDI und ließ sich ein

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