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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
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noch mit einem eigenen Projekt befassen. Die meisten Kopisten begeistern sich für ein ganz bestimmtes Werk der ›Denkwürdigkeiten‹ und haben Freude daran, ein bißchen ihrer Zeit nebenbei dazu zu verwenden. Zum Beispiel Bruder Sarl da drüben – er wurde saumselig bei der Arbeit und machte Fehler. So ließen wir ihn eine Stunde am Tag an einem Vorhaben arbeiten, das er sich selbst ausgesucht hatte. Wenn seine Arbeit so langweilig wird, daß er anfängt, Abschreibefehler zu machen, kann er sie eine Zeitlang zur Seite legen und an seinem Projekt arbeiten. Ich erlaube allen, das gleiche zu tun. Solltest du deine Auftragsarbeit beenden, bevor noch der Tag zu Ende geht, und kein eigenes Projekt haben, so wirst du diese Extrazeit über unseren Daueraufträgen verbringen müssen.«
    »Daueraufträge?«
    »Nun ja, aus der ganzen Geistlichkeit kommt dauernde Nachfrage nach verschiedenen Büchern: Missalien, der Heiligen Schrift, Brevieren, der Summa, nach Enzyklopädien und so fort. Davon verkaufen wir eine ganze Menge. Solltest du früh fertig sein und kein Lieblingsprojekt haben, stecken wir dich zu den Daueraufträgen. Du hast Zeit, dir das genau zu überlegen.«
    »Welches Vorhaben hat sich Bruder Sarl gewählt?«
    Der alte Meister zögerte. »Nun, ich weiß nicht, ob du es verstehen wirst. Ich selbst verstehe nichts davon. Er scheint ein Verfahren entwickelt zu haben, fehlende Wörter und Sätze in einigen der alten Bruchstücke von Originaltexten der Memorabilien ergänzen zu können. Vielleicht ist die linke Seite eines halbverbrannten Buches entzifferbar, aber der rechte Rand einer jeden Seite ist verbrannt, so daß am Ende jeder Zeile einige Worte fehlen. Er hat ein mathematisches Verfahren ausgearbeitet, mit dessen Hilfe man die fehlenden Wörter finden kann. Es ist nicht narrensicher, aber bis zu einem gewissen Grad funktioniert es. Es ist ihm, seit er begann, geglückt, vier ganze Seiten wiederherzustellen.«
    Francis blickte hinüber zu Bruder Sarl, der über achtzig Jahre alt und fast erblindet war. »Wie lang hat er dazu gebraucht?« fragte der Lehrling.
    »Etwa vierzig Jahre«, sagte Bruder Horner. »Freilich hat er nur ungefähr fünf Stunden die Woche daran wenden können, und es erfordert erhebliche Rechnerei.«
    Francis nickte in Gedanken versunken. »Wenn pro Jahrzehnt eine Seite wiederhergestellt werden kann, vielleicht wird dann in ein paar Jahrhunderten…«
    »Viel weniger«, krächzte Bruder Sarl, ohne den Blick von seiner Arbeit zu heben. »Je mehr man ergänzt, desto schneller geht der Rest vonstatten. Die nächste Seite werde ich schon in wenigen Jahren fertig haben. Und dann, so Gott will, vielleicht…« Seine Stimme verlor sich in ein Gemurmel. Francis hörte ihn häufig, während des Werkeins, Selbstgespräche führen.
    »Tu, was du für richtig hältst«, sagte Bruder Horner. »Wir können zwar immer Hilfe bei den Daueraufträgen gebrauchen, aber du darfst ein eigenes Projekt verfolgen, wenn du willst.«
    Wie ein Blitz schoß ihm der Einfall durch den Kopf. »Darf ich meine Zeit dazu verwenden«, platzte er heraus, »eine Kopie der Blaupause des Leibowitz zu machen, die ich gefunden habe?«
    Bruder Horner schien einen Augenblick sehr erschrocken: »Also, ich weiß nicht, mein Sohn; unser Herr Abt ist also, nun, ein bißchen heikel, was diesen Gegenstand betrifft. Und die Sache gehört vielleicht gar nicht unter die Memorabilien. Sie ist zur Zeit erst provisorisch eingeordnet.«
    »Aber du weißt, daß sie ausbleichen, Bruder. Und man hat sie schon so lange dem Licht ausgesetzt. Die Dominikaner hatten sie so lang in New Rome.«
    »Also, ich denke, daß es sich um ein ziemlich kurzes Projekt handeln wird. Wenn Vater Arkos nichts dagegen hat, aber…«, er wackelte in heftigem Zweifel mit dem Kopf.
    »Vielleicht könnte ich sie mir mit anderen zusammen vornehmen?« schlug Bruder Francis rasch vor. »Die wenigen Blaupausen, die wir haben, sind vor Alter schon ganz brüchig. Wenn ich nun mehrere Kopien machte – auch von einigen anderen…«
    Horner lächelte spitz. »Du meinst, der Entdeckung dadurch zu entgehen, daß du die Leibowitzblaupause zum Teil einer Gruppe machst?«
    Francis wurde rot.
    »Also gut«, sagte Horner, und seine Augen zwinkerten ein bißchen, »du darfst deine Freizeit dazu verwenden, von allen Lichtpausen, die in schlechtem Zustand sind, Kopien anzufertigen. Wenn irgend etwas andres dazwischen geraten sollte – ich werde versuchen, darüber hinwegzusehen.«
    Bruder

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