Lobgesang auf Leibowitz
seligen Leibowitz – bevor er Mönch und dann Priester wurde. Der Anwalt der Gegenseite versuchte immer wieder Zweifel in den frühen Lebensabschnitt vor der Flut zu setzen. Er versuchte nachzuweisen, daß Leibowitz niemals sorgfältig genug nach seiner Frau gesucht habe, ja, daß seine Frau sogar noch am Leben gewesen wäre zur Zeit seiner Weihe. Das wäre freilich nicht zum erstenmal der Fall. Zuweilen wurde Dispens gewährt – aber darum geht es gar nicht. Der Advocatus diaboli hateinfach versucht, den Charakter deines Gründers in ein schiefes Licht zu setzen. Er wollte geltend machen, daß er in den geistlichen Stand getreten sei, Gelübde abgelegt habe, noch bevor er sicher war, daß seine Familienverpflichtungen beendet waren. Die Gegenpartei hatte keinen Erfolg, aber sie könnte es wieder versuchen. Und gesetzt, die menschlichen Überreste, die du gefunden hast, wären wirklich… « Er zog die Schultern hoch und lächelte.
Francis nickte. »Es würde das Sterbedatum haarscharf festlegen.«
»Auf den ersten Tag des Krieges, der beinahe alles vernichtet hat. Und, meiner eigenen Meinung nach, nun, die Handschrift in der Schachtel ist entweder die des Seligen oder eine sehr geschickte Fälschung.«
Francis wurde rot.
»Damit will ich nicht sagen, daß du in irgendeiner Fälscheraffäre verwickelt bist«, setzte der Dominikaner schnell hinzu, als er das Erröten bemerkte.
Dem Novizen war jedoch nur wieder seine eigene Ansicht über das Gekritzel in den Sinn gekommen.
»Erzähl mir doch, wie eigentlich alles gekommen ist. Will sagen, wie bist du auf die Stelle gestoßen? Ich muß die ganze Geschichte hören.«
»Also, eigentlich hat es mit den Wölfen angefangen.«
Der Dominikaner begann sich Notizen zu machen.
Wenige Tage nach der Abreise des Boten ließ Abt Arkos den Bruder Francis zu sich kommen. »Fühlst du dich immer noch in unsere Mitte berufen?« fragte Arkos liebenswürdig.
»Wenn mir mein Abt meine abscheuliche Eitelkeit verzeihen möge…«
»Na, lassen wir deine abscheuliche Eitelkeit mal für einen Augenblick beiseite. Fühlst du dich berufen oder nicht?«
»Ja, Magister meus.«
Der Abt strahlte über das ganze Gesicht. »Na schön, mein Sohn. Ich glaube, du hast uns überzeugt. Solltest du bereit sein, dich für alle Zeit und Ewigkeit zu binden, so glaube ich, die Zeit ist reif für dich, deine heiligen Gelübde abzulegen.« Er schwieg einen Augenblick, blickte dem Novizen ins Gesicht und schien enttäuscht, nicht die leiseste Spur einer Veränderung darauf zu entdecken. »Was ist los? Bist du gar nicht erfreut, das zu hören? Hast du keine – He! Stimmt was nicht?«
Francis’ Gesicht war die gleiche höflich aufmerksame Maske geblieben, aber die Maske war allmählich erbleicht. Plötzlich knickten die Knie ein.
Francis war ohnmächtig geworden.
Zwei Wochen danach gab der Novize Francis, der vielleicht den Dauerrekord für Überleben von Wüstenvigilien aufgestellt hatte, den Stand des Noviziats auf und gelobte auf Lebenszeit Armut, Keuschheit und Gehorsam zusammen mit den besonderen Gelöbnissen, die der Gemeinschaft eigen waren. In der Abtei erhielt er Segen und das Bündel und wurde für alle Zeiten ein Profeß des Albertinischen Ordens des Leibowitz, mit Ketten, die er beharrlich selbst geschmiedet hatte, an den Fuß des Kreuzes und die Regel seines Ordens gekettet. Während der Feierlichkeiten wurde ihm dreimal die Frage gestellt: »Wenn Gott dich dazu berufen sollte, sein Buchschmuggler zu werden, bist du bereit, dann lieber den Tod zu erleiden, als deine Brüder zu verraten?« Und dreimal antwortete Francis: »Wahrlich, Herr.«
»Dann erhebt euch, Brüder Buchschmuggler und Brüder Einpräger, und du, empfange den Bruderkuß. Ecce quam bonum, et quam jucundum… «
Bruder Francis durfte die Küche verlassen und wurde einer weniger armseligen Arbeit zugeteilt. Er sollte bei einem alten Mönch mit Namen Horner eine Lehre als Kopist erhalten. Wenn alles gutging, könne er zuversichtlich sein, ein Leben lang in der Kopierstube zuzubringen. Dort würde er den Rest seiner Tage solchen Aufgaben wie dem Abschreiben von algebraischen Texten oder dem Illuminieren ihrer Seiten mit Ölzweigen und fröhlich um Logarithmentafeln schwirrenden Cherubim widmen.
Bruder Horner war ein sanfter alter Mann, und Bruder Francis mochte ihn von Anfang an.
»Die meisten von uns arbeiten mit größerem Erfolg an den ihnen übergebenen Kopien«, sagte ihm Horner, »wenn wir uns nebenher
Weitere Kostenlose Bücher