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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
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von Gesetzgebern und Propheten, genialen oder besessenen Menschen hervorzubringen. Durch einen Moses oder einen Hitler, oder durch einen unwissenden, aber tyrannischen Großvater können so im Dämmer einer neuen Zeit kulturelle Überlieferungen entstehen, und nicht wenige sind so entstanden. Aber die neue »Kultur« war ein Erbe der Finsternis, in der »Simpel« die gleiche Bedeutung wie »Bürger«, die gleiche Bedeutung wie »Sklave« hatte. Die Mönche warteten. Es war für sie ohne jede Bedeutung, daß das Wissen, welches sie bewahrten, nutzlos war, daß jetzt das meiste davon nicht eigentlich Wissen genannt werden konnte und in gewissen Fällen den Mönchen genauso rätselhaft war, wie es einem unwissenden jungen Wilden hinter den Bergen sein mußte. Dieses Wissen hatte seinen Inhalt verloren, weil sein materieller Gegenstand längst nicht mehr existierte. Immerhin besaß solch ein Wissen eine Zeichenstruktur, die in sich geschlossen bestand; auf jeden Fall konnte das Wechselspiel der Zeichen betrachtet werden. Die Art und Weise zu beobachten, nach der Wissen zu einem System verbunden wird, bedeutet wenigstens, das mindeste an Wissen über Wissen zu erfahren, bis eines Tages – eines Tages oder eines Jahrhunderts – der Stifter der Einheit erscheinen würde und die Gegenstände wieder in Einklang gebracht werden würden. Da spielte Zeit keine Rolle. Die Denkwürdigkeiten waren vorhanden, und es war ihnen pflichtschuldigst aufgetragen, sie zu bewahren. Sie würden sie bewahren, selbst wenn die Welt länger als zehn weitere Jahrhunderte oder sogar zehntausend Jahre von der Finsternis umfangen sein sollte. Denn obwohl im finstersten aller Zeitalter geboren, waren sie doch immer noch die alten Buchschmuggler und Einpräger des seligen Leibowitz. Wenn sie von ihrer Abtei aus in ferne Länder zogen, so trug jeder von ihnen, den Professen des Ordens, sei er Stallbursche oder Abt, als Teil seines Habits ein Buch, jetzt gewöhnlich ein Brevier, eingewickelt im Bündel, mit sich.
     
     
    Nachdem der Bunker verschlossen war, wurden die Schriftstücke und Funde, die man ihm entnommen hatte, heimlich vom Abt zusammengetragen, eins nach dem anderen, ganz unauffällig. Sie wurden einer Untersuchung unzugänglich gemacht und vermutlich in Arkos’ Studierstube verschlossen. Sie waren allem praktischen Gebrauch entzogen. Was immer in den Bereich der Studierstube des Abtes entschwand, war kein ungefährlicher Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzungen mehr. Es wurde zu etwas, worüber nur auf stillen Gängen noch geflüstert werden konnte. Bruder Francis vernahm das Geflüster selten. Schließlich hörte es ganz auf, aber nur, um wieder aufgenommen zu werden, als ein Bote aus New Rome eines Nachts mit dem Abt im Refektorium sich murmelnd unterhielt. Gelegentlich drangen Fetzen ihres Murmelns bis zu den benachbarten Tischen. Das Geflüster lag ein paar Wochen lang nach der Abreise des Boten in der Luft und schwand wieder.
    Bruder Francis Gerard von Utah kehrte das folgende Jahr in die Wüste zurück und fastete wieder in Einsamkeit. Noch einmal kam er schwach und abgemagert wieder und wurde bald vor Abt Arkos gerufen, der zu wissen begehrte, ob er weitere Unterredungen mit den himmlischen Heerscharen für sich beanspruche.
    »Aber nein, Herr Abt. Den ganzen Tag nichts als Geier.«
    »Und bei Nacht?« fragte Arkos argwöhnisch.
    »Nur Wölfe«, sagte Francis, vorsichtig hinzusetzend, »glaube ich.«
    Arkos wollte sich lieber nicht auf die vorsichtige Ergänzung einlassen und legte nur die Stirn in Falten. Francis hatte durch Beobachtung gelernt, daß das Stirnrunzeln des Abtes in ursächlichem Zusammenhang mit einer Art Strahlungsenergie stand, die mit meßbarer Geschwindigkeit den Raum durchmaß und die doch nicht recht begriffen werden konnte, außer im Zusammenhang mit ihrer vernichtenden Auswirkung auf Gegenstände, von denen sie aufgesaugt wurde, wobei diese Gegenstände für gewöhnlich alles Postulanten oder Novizen waren. Bis die nächste Frage auf ihn losgelassen wurde, hatte Francis schon einen Strom dieses Zeugs von fünf Sekunden Dauer in sich aufgenommen.
    »Nun, was ist mit letztem Jahr?«
    Der Novize schluckte schwer: »Der – alte – Mann?«
    »Der alte Mann.«
    »Ja, Dom Arkos…«
    Arkos bemühte sich, seiner Stimme jeden fragenden Klang zu nehmen, und fuhr mit eintöniger Stimme fort: »Nur ein alter Mann. Nichts weiter. Davon sind wir jetzt überzeugt.«
    »Ich glaube auch, daß es bloß ein alter Mann

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