Lockende Zaertlichkeit
die Tür zu. "Was soll das heißen?"
"Ihre Tochter ist noch viel zu jung, um die Verantwortung zu übernehmen, die Sie ihr aufgebürdet haben", warf Olivia ihm vor. "Aber sie hat ja keine andere Wahl, als sie anzunehmen, oder? Also, Dr. Hamilton - solange Sie nicht in der Lage sind, dieses Haus zu führen, werde ich für Ihre Tochter arbeiten."
Marcus war nun so wütend, dass er die Hände zu Fäusten ballte. "Verschwinden Sie, und zwar sofort!"
Dieses Mal öffnete Olivia selbst die Tür. Sie wusste, dass es nun genug für Marcus war. "Ich werde mich ab Montagmorgen um Sie kümmern", erklärte sie ruhig, aber bestimmt, dann verließ sie Marcus' Zimmer. Im Flur lehnte Olivia sich an die Wand und atmete tief durch. Sie wusste, dass sie Marcus verletzt hatte, aber sie hatte es einfach tun müssen.
Sally, die an der Treppe gewartet hatte, drückte Olivia tröstend den Arm. "Ich habe gehört, wie Daddy sich aufgeregt hat, aber du hast trotzdem das Richtige getan, Olivia. Wenn man zu sanft mit ihm umgeht, tut man ihm keinen Gefallen. Ich kann Daddy nicht helfen und meine Großmutter erst recht nicht. Sie kann sich nicht einmal dazu überwinden, ihn in seinem Zimmer zu besuchen. Daddy braucht einen Menschen wie dich, Olivia.
Jemanden, gegen den er kämpfen muss. Bitte, hilf mir, Olivia.
Du bist meine letzte Hoffnung."
"Ich weiß nicht, Sally. Es ist so schwer für mich ..."
"Du hast ihm doch schon gesagt, du würdest Montagmorgen wiederkommen", unterbrach Sally sie schnell. "Und wenn du jetzt kneifst, glaubt er, er hätte gewonnen."
Olivia seufzte auf. "Ich weiß. Aber wir müssen zuerst mit Dr.
Brooks darüber sprechen. Er muss letztendlich entscheiden, ob ich mich um Marcus kümmern soll oder nicht. Und eure Krankenschwester muss natürlich auch rechtzeitig informiert werden."
"Dr. Brooks wird auf jeden Fall zustimmen, davon bin ich überzeugt", versicherte Sally eifrig. "Und was die Krankenschwester betrifft, sie weiß bereits Bescheid."
Olivia seufzte erneut. Anscheinend hatte Sally schon für jeden Fall vorgesorgt. Was blieb ihr, Olivia, da anderes übrig, als Ja zu sagen?
4. KAPITEL
Am Montagmorgen frühstückte Olivia gemeinsam mit Sally.
Sybil Carr hatte sich ihr Essen aufs Zimmer bringen und sich seit Olivias Ankunft am vorigen Abend noch nicht sehen lassen.
Sally hatte Marcus wegen zu Hause bleiben wollen, doch Olivia hatte darauf bestanden, dass das Mädchen wieder regelmäßig zur Universität ging.
"Das Leben geht weiter, Sally", redete Olivia auf sie ein.
"Außerdem ist es ganz gut, wenn du nicht ständig in der Nähe deines Vaters bist. So wird er es sich bestimmt zweimal überlegen, ob er mich aus dem Haus wirft oder nicht."
Sally verzog das Gesicht. "Darauf würde ich mich nicht verlassen. Er hat seit gestern Abend furchtbar schlechte Laune."
Olivia lächelte zerknirscht. "Das kann ich mir vorstellen. Er weiß, dass ich von nun an hier bin."
Sally blickte auf die Armbanduhr. "Ich muss jetzt gehen, Olivia. Kann ich dich auch wirklich mit Daddy allein lassen?"
"Natürlich", versicherte Olivia lächelnd. "Ich hatte schon weitaus schlimmere Patienten als deinen Vater."
Simon Brooks war sofort damit einverstanden gewesen, dass Olivia sich um Marcus kümmerte. Simon hoffte, dass Marcus seine Wut mit der Zeit in eine andere, positive Richtung lenken und dadurch endlich Fortschritte machen würde.
Olivia klopfte beherzt an Marcus' Tür, bevor sie eintrat. Er war bereits angezogen und saß am Fenster. "Weshalb tragen Sie eigentlich immer diese dunkle Brille?" fragte sie herausfordernd.
"Sie ist völlig unnötig."
Doch anstatt in Rage zu geraten, wie Olivia es erwartet hatte, lächelte Marcus nur spöttisch. "Und weshalb tragen Sie Ihre Schwesternuniform, obwohl ich sie gar nicht sehen kann?"
Heiße Röte überzog Olivias Wangen. "Ich ... woher wissen Sie, was ich anhabe?"
"Das höre ich am Rascheln, wenn Sie sich bewegen. Es hört sich irgendwie steif an - so wie Sie eben sind."
"Sie haben meine Frage nicht beantwortet", fuhr Olivia fort, ohne auf die Beleidigung einzugehen. "Warum tragen Sie die Brille?"
"Weil ich es so will."
"Das ist keine Antwort."
"Eine andere kriegen Sie nicht. Warum tragen Sie die Uniform?"
"Weil ich Krankenschwester bin."
"Das weiß ich inzwischen. Ich möchte nicht, dass Sie diese Kleidung tragen, während Sie hier arbeiten. Ziehen Sie sie aus."
"Wie bitte?"
"Meine liebe Miss King", fuhr Marcus zynisch fort, "Sie wohnen doch jetzt hier, nicht wahr?"
"Ja,
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