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Lockruf der Toten / Magischer Thriller

Lockruf der Toten / Magischer Thriller

Titel: Lockruf der Toten / Magischer Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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schwört natürlich, dass sie besser sei als alle anderen.
    Manche Leute verwenden Püppchen, in deren Füllmaterial Haare oder abgeschnittene Nägel der Zielperson stecken. Die O’Caseys bevorzugen eine kompliziertere Vorgehensweise, die aber den Vorteil hat, dass keine Körperteile erforderlich sind.
    Was die übrigen Zutaten und die Beschwörungsformeln angeht, so gilt auch hier: sehr unterschiedlich. Wie die Formelwirker verwenden wir das, was »erwiesenermaßen« seinen Zweck erfüllt. Genau wie bei den Formelwirkern gibt es auch bei uns Leute, die behaupten, das Ganze sei Hokuspokus – es sei gar nicht nötig, Graberde über ein Kreidesymbol zu streuen oder Leichenstaub in die vier Himmelsrichtungen zu blasen, denn die Macht, die Toten zurückzurufen, und die Fähigkeit, mit ihnen zu sprechen, lägen einzig und allein in uns selbst.
    Aber wir verwenden auch weiterhin das, was funktioniert. Das bedeutet nicht, dass wir zu dumm oder abergläubisch wären, es ohne das ganze rituelle Drumherum zu versuchen. Unsere Gruppe von Möchtegernmagiern hatte vermutlich auch das ausprobiert – zum Beispiel versucht, einen Erwachsenen zu opfern. Vielleicht war der Versuch ebenso fehlgeschlagen wie unsere beschnittenen Rituale. Es konnte sein, dass der Grund dafür psychologischer Natur war – auf irgendeiner Ebene sind wir eben doch davon überzeugt, dass wir Zutat X brauchen, und deshalb versagen wir ohne sie. Oder vielleicht dachte ich auch zu viel darüber nach, einfach um das hinauszuschieben, was ich hier eigentlich zu erledigen hatte.
    Paige hat mir einmal erzählt, ihre Mutter habe immer gesagt, dass die Hauptfunktion des Rituals sei, dem Formelwirker – oder Nekromanten – einen allmählichen Übergang von der Alltags- in die magische Welt zu ermöglichen. Dass das Bemühen, die nötigen Ingredienzien genau richtig anzuordnen, die Symbole zu zeichnen, Werkzeuge bereitzulegen und Räucherschalen zu bestücken, der Konzentration diente – es half dem Gehirn, sich von Einkaufslisten und anstehenden Geschäftsessen zu lösen. Wenn das der Fall war, hatte ich diesen Übergang vermutlich nie dringender gebraucht als gerade an diesem Nachmittag.
    Es waren nicht die Einkaufslisten, die mich ablenkten, sondern die Panik angesichts dessen, was ich hier zu tun vorhatte.
    Die Toten erwecken. Ist man ein religiöser Mensch, spricht man von Auferstehung, und die ist ein Wunder. Wenn man ein Horrorfan ist, denkt man an ein Armageddon herumtorkelnder, Menschenfleisch fressender Zombies. Tatsächlich hat es etwas von beidem.
    Wie Wunderwirker rufen wir den Geist – die Seele – in den Körper zurück, wach und bei vollem Bewusstsein. Wenn man also nicht gerade Hannibal Lecter beschwört, wird die betreffende Person nicht gleich als Erstes anfangen, Hirne zu fressen. Aber der Körper ist tot, zerschmettert, verwest, genau wie im Horrorfilm. Damit ist der Geist also in vollem Wissen in diesem verrottenden Leichnam gefangen. Kann man sich etwas Schlimmeres vorstellen?
    Aber jeder ordentlich ausgebildete Nekromant hat gelernt, wie man das bewerkstelligt. Muss es sogar geübt haben. Ob er oder sie jemals wirklich beschließt, einen Zombie zu rufen, oder nicht – wir wissen, wie es geht, für den Fall, dass wir das Wissen einmal brauchen.
    Ich brauchte es jetzt. Um ein Kind zu rufen.

[home]
33 Die dunkelste Macht
    I ch begann mit der Beschwörung. Jeremy stand in der Nähe neben dem nächsten Beet und hielt Ausschau nach jedem, der etwa vom Haus her in unsere Richtung kommen konnte. Eve sah sich nach Geistern um und sorgte dafür, dass sie sich fernhielten. Ich glaube, Kristof war ebenfalls da, aber ich sah ihn nicht.
    Sosehr ich mich auch bemühte, den Kopf klarzubekommen – jeder Anblick und jedes Geräusch schien nach meiner Aufmerksamkeit zu brüllen. Das Piken und Scharren von Kies unter meinen Knien. Das Propellerflugzeug, das summend über mich hinwegflog. Eine Fliege, die auf meinem Kreidesymbol herumlief. Der süße, etwas kränkliche Duft von Lilien. Für mich riechen sie nach Bestattungsinstituten und Tod. Süß und abstoßend zugleich wie der Geruch von Verwesung.
    Verwesung.
    Wie lang hielten sich diese Kinder schon im Garten auf? Wie stark waren ihre Körper verwest? Waren sie überhaupt vollständig? Was, wenn sie es nicht waren und ich ihre Seelen in eine fragmentierte Leiche zurückholte, einen Körper ohne Arme, ohne Beine, außerstande, sich auch nur an die Erdoberfläche durchzuarbeiten, unter der

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