Lockruf der Toten / Magischer Thriller
Du musst irgendwas falsch gemacht haben, weil sie nicht gleich bei mir angekommen ist. Jemand, der sich die Show hier ansieht, hat mir Bescheid gesagt. Wirklich cool. Ich bin noch nie von einem … wie nennt ihr Typen euch doch gleich?«
»Nekromanten«, sagte ich, wobei ich versuchte, die Lippen nicht zu bewegen.
»Abgedreht.« Sie wedelte mit der Hand in Angeliques Richtung. »Und apropos abgedreht, was ist eigentlich mit der Tussi dort los?«
»Wartet!«, sagte Angelique gerade. »Tansy versucht, mir zu erzählen, was …«
Tansy lachte laut auf. »Sie glaubt, sie redet mit mir? Aber sie ist doch gar keine von euch. Sie hat dieses komische Schimmern nicht.«
»Sie glaubt es aber.«
»Wirklich?« Ein fröhliches Grinsen. »Vielleicht ist heute gerade Schwachstromtag. Das kriege ich raus.«
Tansy schlenderte hinüber, baute sich unmittelbar vor Angelique auf und begann, Grimassen zu schneiden und wild mit den Armen zu fuchteln.
»Tansy?«, sagte Angelique. »Gibt es etwas, das du mir gern erzählen möchtest?«
»Außer ›Gewöhn dir ab, den Kleiderschrank deiner Oma zu plündern‹?«, fragte Tansy. »Wo hast du eigentlich dieses Kleid her? Aus
Der kleine Jungfernladen?
«
Ich prustete unwillkürlich los und versuchte, das Lachen als Hustenanfall zu tarnen. Angelique drehte sich zu mir, die Zähne gefletscht wie ein wütender Schoßhund.
»Tut mir leid. Ich …«, ich hielt mir die Hand vor den Mund, als verschluckte ich das nächste Husten, »ich hole mir ein Glas Wasser. Bitte mach weiter.«
»Nein, wenn du so gern auftreten willst,
Miss
Vegas, dann versuch du’s doch mal.«
Becky nickte. Ihre Augen flehten mich an, die Sache zu übernehmen. Ich trat näher.
»Das wird cool«, sagte Tansy. »Zeig ihr, wie man das wirklich macht.«
»Tansy?« Ich spähte in die Dunkelheit. »Bist du noch da?«
»Ach, komm schon. Du brauchst das nicht zu spielen. So nah bin ich seit dreißig Jahren an keine Kamera mehr rangekommen!«
»Was ist los?«, giftete Angelique. »Lass mich raten. Sie
verblasst
schon wieder. Ich habe sie
überanstrengt.
«
»Vielleicht. Aber wahrscheinlich kann ich …«, ich spähte in den dunklen Garten hinaus, »ich kann sie eben noch erkennen. Sie ist klein und zierlich, ungefähr deine Figur. Blasse Haut, aber langes schwarzes Haar und beinahe … kupferfarbene Augen.«
»Das hat mir ja auch die Hauptrolle in
Lily White
eingetragen«, bemerkte Tansy. »Sie haben gedacht, ich sähe exotisch aus, wie sich das gehört für ein Elfenwechselbalg. Mom hat immer gesagt, es liegt daran, dass mein Dad Italiener war. In Wirklichkeit war er schwarz. Afroamerikaner, meine ich. Er ist in Vietnam geblieben, und meine Großeltern haben meine Mutter dazu gebracht, dass sie die Geschichte von seiner italienischen Abstammung verbreitet.«
Es musste unverkennbar sein, dass ich auf etwas lauschte, denn Becky drängte mich, ich sollte die Mitteilung weitergeben. Mit Tansys Ermutigung tat ich es.
»Afroamerikaner?«, sagte Angelique. »Das kann keiner beweisen.«
»Seht euch halt meine Geburtsurkunde an«, sagte Tansy.
Ich wiederholte das für die anderen. Becky winkte ihrem Assistenten zu, er sollte mitschreiben, obwohl er bereits hektisch kritzelte.
Und so machten wir weiter. Tansy war ein komödiantisches Naturtalent und unterhielt die Zuhörer mit Anekdoten und Witzen, bis ich kein unbeteiligtes Gesicht mehr sah.
»Das ist doch Zeitverschwendung«, unterbrach Angelique irgendwann. »Frag sie das, was wir wirklich wissen wollen. Das, weswegen wir sie hergerufen haben. Wie ist sie gestorben?«
»Das kann ja wohl kaum ein großes Geheimnis sein. Sag ihr, sie soll mich irgendwas Besseres fragen.« Tansy grinste. »Welche Farbe meine Unterwäsche an dem Tag gehabt hat zum Beispiel.«
»Das ist doch lächerlich«, schnappte Angelique, als ich ihre Frage nicht weitergab. »Will sie denn nicht ihren Frieden haben? Dass der Schuldige zur Verantwortung gezogen wird?«
Tansy runzelte die Stirn. »Der Schuldige?«
Die letzten Minuten eines gewaltsamen Todes sind aus dem Gedächtnis eines Geistes gelöscht, sobald er übergetreten ist. Tansy wusste vielleicht nicht einmal, dass sie ermordet worden war, und sie jetzt noch darüber aufzuklären, wäre eine Grausamkeit gewesen, die ich ihr keinesfalls zufügen wollte. Stattdessen streckte ich die Hand aus, als versuchte ich sie zurückzuholen.
»Tansy! Warte! Sie wollte damit nicht …« Als Tansy interessiert eine Augenbraue hochzog, formte ich
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