Lockruf Des Mondes
gegenüber nicht verstehen.«
»Aber Ihr schon?«
Absolut nicht, dachte Emily, doch sie wollte nicht die kleine Verständigung gefährden, die sie erreicht hatten, indem sie das eingestand. »Ich will nur nicht, dass meiner Schwester wehgetan wird.«
»Ich werde ihr nicht wehtun.«
»Dann schickt Ihr mich also nicht zurück?«
»Ich habe mich noch nicht entschieden.«
Er erhob sich, als wollte er gehen, und Emily begriff, dass ihr Gespräch beendet war. Schnell brachte sie noch ihre Bitte wegen des Sees vor. Talorc antwortete nicht direkt, wies jedoch einen jungen Soldaten an, sie zu begleiten, womit er einerseits seine stillschweigende Zustimmung zu erkennen gab und andererseits, wie unwichtig Emily seiner Einschätzung nach war, da er keinen erfahrenen Krieger zu ihrer Begleitung abstellte.
Aber er schien zumindest das mit Abigail verstanden zu haben, was immerhin schon etwas war. Als Cait hörte, wohin Emily wollte, bestand die junge Frau darauf, sie zu begleiten.
Nach einem halbstündigen Spaziergang erreichten sie den See. Cait befahl dem jungen Soldaten, mit abgewandtem Gesicht auf der anderen Seite eines Gebüschs zu warten. Als der Junge merkte, dass die beiden Frauen baden wollten, bekam er einen puterroten Kopf und beeilte sich, der Schwester seines Clan-Chefs zu gehorchen.
Wie immer achtete Emily darauf, im flachen Wasser zu bleiben, und lehnte Caits Aufforderung, mit ihr hinauszuschwimmen, innerlich erschaudernd ab. Der Gedanke, sich in tieferes Wasser zu begeben, verursachte ihr Übelkeit wie immer, doch sie war stolz darauf, wie gut sie das verbergen konnte.
Emily und Cait hatten ihr Bad beendet und zogen sich gerade wieder an, als Cait sich urplötzlich versteifte. Dann drehte sie sich zu der Stelle um, an der der Soldat wartete, und kniff die Augen zusammen, um durch das dichte Unterholz zu spähen.
»Was ist?«, fragte Emily. »Er beobachtet uns doch wohl nicht, oder?«
Cait schüttelte den Kopf und legte warnend einen Finger an ihre Lippen. Emily konnte sich nicht vorstellen, was sie so erregte, aber sie kam Caits Aufforderung nach und zog sich so leise wie nur möglich an. Schweigend und mit besorgter Miene tat Cait es ihr nach.
Emily wurde ganz starr vor Anspannung, als sie das kleine Messer, das sie bei den Mahlzeiten benutzte, aus ihrem Gürtel zog. Ihr Blick war auf das nur wenige Schritte vom Seeufer entfernte Unterholz geheftet, wo auch Cait hinschaute, obwohl Emily keine Ahnung hatte, wonach sie Ausschau hielten. Nach einem wilden Tier vielleicht? Aber sie hatte nichts gehört, und ihr Gehör war ausgezeichnet.
Die Antwort erhielt sie eine Sekunde später, als fünf hünenhafte Krieger in dunkelblau, grün und gelb karierten Plaids und mit makaberen blauen Mustern in ihren Gesichtern aus dem Wald heraustraten. Sie ritten die größten Pferde, die Emily je gesehen hatte - und dazu noch ohne Sattel.
3. Kapitel
E mily glaubte, auf alles vorbereitet gewesen zu sein in diesem Hochland, doch darauf war sie nicht gefasst. Hätte ihr am Tag zuvor jemand gesagt, es gebe noch Furcht erregendere Krieger als die Sinclairs, hätte sie ihn ausgelacht. Aber jetzt war ihr gar nicht zum Lachen zumute.
Oh nein. Das Einzige, woran sie denken konnte, war zu beten.
Die hünenhaften Männer, deren grimmige Gesichter durch die blaue Kriegsbemalung sogar noch einschüchternder wirkten, ritten auf Cait und sie zu. Das Furchteinflößendste an ihnen war jedoch nicht so sehr die Tatsache, dass sie noch größer als die Sinclair-Krieger waren, sondern vielmehr ihre Haltung - diese Arroganz, als gehörte ihnen die ganze Welt, mit allem, was sich darauf bewegte. Angesichts der Tatsache, dass sie sich auf dem Territorium eines anderen Clans befanden, hieß das schon etwas. Eine solche Arroganz hatte Emily noch nie gesehen, und sie war immerhin von einem von Englands selbstherrlichsten Baronen aufgezogen worden und nun auch noch mit dem mindestens ebenso hochfahrenden Clan-Chef der Sinclairs verlobt.
Caits scharfes Einatmen erinnerte Emily daran, dass sie der Gefahr nicht ganz allein gegenüberstand. Aber ihre Erleichterung schlug im Bruchteil einer Sekunde in Bestürzung um. Emily wollte nicht, dass ihrer Freundin etwas zustieß oder ihr Angst gemacht wurde. Sie wandte sich zu Cait, die kreidebleich geworden war und die Reiter voller Schrecken ansah.
Emily versuchte, ein beruhigendes Lächeln aufzusetzen. »Hab keine Angst, Cait. Das sind nur Freunde deines Bruders, denke ich.« Bösartig genug, um das
Weitere Kostenlose Bücher