Lockruf des Verlangens (German Edition)
derartigen Forderungen – doch immerhin hatte der militärische Führer des Rats sie über Jahre protegiert. »Woher willst du wissen, wo du suchen musst?«, fragte er, statt die Bitte gleich abzulehnen.
Sie tippte sich mit dem Finger an die Schläfe. »Ming war und ist wahrscheinlich immer noch der beste Kampfstratege der Medialen. Ganz egal, wer der Kopf des Ganzen ist, wenn ich wie Ming denke, bin ich demjenigen überlegen.«
Er wog die Möglichkeiten ab, nahm das ungeduldige Flackern in ihren Augen wahr. Mein Mädchen, dachte er und unterdrückte ein Lächeln. »Du kannst Brenna haben – aber nur eine halbe Stunde«, sagte er. »Sie hat mehr als genug zu tun.«
Zwischen ihren Brauen erschien eine tiefe Falte, aber sie nickte. »Ich werde die Sache so weit wie möglich eingrenzen, bevor ich zu ihr gehe – dann können wir effizienter arbeiten.«
Anderthalb Stunden später sah er noch immer vor sich, wie ihr Haar in der heißen Sierra-Sonne aufgeleuchtet hatte, als sie zur Höhle gerannt war. Die Frau, die ihm jetzt gegenübersaß, war vollkommen anders, hatte keinerlei Feuer in sich. Nikita Duncan hatte eine Empathin geboren und sie dann abgeschoben. Sie war ebenso kalt, wie ihre Tochter herzlich war. Selbst ihre Erscheinung war vollkommen anders.
Nikita hatte kühle weiße Haut, die Augen einer Japanerin und scharf geschnittene, hohe Wangenknochen unter rabenschwarzem, glattem Haar. Saschas Haut hingegen hatte einen warmen Braunton, ihre weichen Züge wurden von krausem, samtschwarzem Haar umrahmt. Zweifellos waren beide schön. Doch eine war ein kaltblütiges Reptil, während die andere ihr Leben gegeben hätte, um einen Fremden zu retten.
»Wie geht es dir, Saschaschätzchen?« fragte er kaum hörbar, als Nikita gerade mit dem zweiten anwesenden Ratsmitglied, dem geheimnisvollen Anthony Kyriakus, sprach. Ein großer, vornehmer Mann mit silbernen Schläfen.
Sascha verzog das Gesicht. »Ich stehe kurz vor der Entbindung. Wenigstens fühlt es sich so an.«
DerkläglicheTonließihnlächeln,aberLucasschienesnichtdieSpurlustigzufinden.Hawkefragtesich,wiesehrSaschaumihreTeilnahmeandemGesprächehattekämpfenmüssen – dochLucaswarsokurzvordemGeburtsterminsichernichtdasRisikoeingegangen,seineGefährtingroßartigaufzuregen.WahrscheinlichhattesichdasAlphatierderLeopardensehrbeherrschenmüssen,daalleinderGedanke,seineschwangereGefährtininderNähevonLeutenzuwissen,dieihrSchadenzufügenkonnten,dasTierinihmvollkommenirremachte.UndausnahmsweiseschiendieEmpathinSaschadavonnichtsmitzubekommen.
Er beugte sich vor zu ihr und raunte ihr ins Ohr: »Schätzchen, ich mag dich sehr, das weißt du ja, aber jetzt musst du Luc von hier wegbringen, bevor er durchdreht.«
Sascha erstarrte. Ihre Augen wurden von einem Augenblick auf den anderen vollkommen schwarz. »Um Gottes willen«, flüsterte sie. »Warum habe ich das nicht bemerkt?«
»Vielleicht weil du hochschwanger bist.«
Sie verdrehte die Augen und küsste ihn flüchtig auf die Wange.
Lucas knurrte vernehmbar.
»Ich fühl mich nicht besonders«, sagte Sascha im selben Moment.
Schon schob Lucas seinen Stuhl zurück und brachte Sascha so schnell aus dem Zimmer, dass Anthony und Nikita erstaunt aufblickten. Vaughn glitt mit katzenhafter Eleganz auf Lucas’ Stuhl, und Nathan nahm Saschas Platz ein. Nikita starrte immer noch auf die Tür.
»Sie wird jetzt nicht gleich niederkommen«, unterbrach die Ratsfrau kurz darauf das Schweigen. Sie musste telepathisch mit ihrer Tochter kommuniziert haben.
Sehr interessant.
»Wann ist es denn so weit?«, fragte Max Shannon, der gerade hereinkam. »Tut mir leid – bin im Verkehr aufgehalten worden.«
»Wo ist denn deine J-Mediale, Cop?«, fragte Vaughn, anstatt auf Max’ Frage einzugehen.
»Auf dem Weg«, sagte Max. Seine Frau Sophia war eine ehemalige J-Mediale und weiterhin im Medialnet, obwohl sie mit Silentium gebrochen hatte. »Sie könnte interessante Informationen für uns haben.«
Hawke vertraute niemandem im Medialnet, denn die Fangarme des Rats reichten tief ins Netzwerk hinein, doch persönlich hatte er nichts gegen Max’ Frau. Er mochte sie irgendwie sogar. Sophia hatte Schatten unter den Augen, das hieß, sie hatte etwas erlebt und unter dem Eis lebte etwas.
Riley trat neben ihn. »Haben Sie den Bericht gelesen, den wir Ihnen beiden geschickt haben?«
»Ja«, antworteten Nikita und Anthony gleichzeitig.
Auch das war sehr interessant. Wer wusste schon, was die beiden hinter dem Rücken der anderen noch
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