Lockruf des Verlangens (German Edition)
plötzlich war das Kind nicht mehr in ihr, sie hörte den wütenden Schrei im Raum. Unser Kind. Ihr Herz zog sich zusammen, und Lucas hielt den Atem an. »Schneide die Nabelschnur durch«, drängte sie ihn, denn er war hin- und hergerissen zwischen dem Bedürfnis, sie zu halten, und dem Wunsch, das Baby in den Arm zu nehmen. »Mach schon.«
Vorsichtig ließ er sie in die Kissen sinken und schnitt dann nach Tammys Anweisung die Nabelschnur durch. Die Ergriffenheit, mit der er das schreiende Kind auf den Arm nahm, war ein Geschenk für Sascha; diesen Augenblick würde sie nie mehr vergessen. »Ganz ruhig, mein Schätzchen«, murmelte er, es war wie eine Liebkosung für Mutter und Kind. »Papa hält dich.« Dann sah er auf, und in seinen Augen schimmerte so viel Liebe, dass Sascha wusste, ihr Kind würde sich niemals im Leben ungewollt oder ungeliebt fühlen.
Mit zitternden Fingern knöpfte sie das Nachthemd auf. Wortlos legte Lucas ihr das Kind auf die bloße Haut. Während ihr die Tränen übers Gesicht liefen, drückte sie den zarten Körper an sich; ihr Gefährte streichelte ihr die Wange und legte den Kopf an ihre Stirn. »Oh Gott, ich liebe dich so sehr.«
Sie lachte unter Tränen. »Auch jetzt noch, wo du endlich deine Prinzessin hast?«
Lucas lächelte über das ganze Gesicht, und die Raubkatze leuchtete in seinen Augen auf. »Hab doch gleich gesagt, dass es ein Mädchen wird.«
25
Beim ersten Schrei des Kindes kam es Sienna so vor, als müsse sie aus der Haut fahren.
Als sich endlich die Schlafzimmertür öffnete, Sienna kam es wie Jahrzehnte vor, trat Lucas mit einem kleinen – unsagbar winzigen – Wesen auf dem Arm heraus, das in eine weiche weiße Decke eingehüllt war. Sofort drängten die Wächter und ihre Gefährten in die Hütte.
»Ich möchte euch Miss Nadiya Shayla Hunter vorstellen«, sagte Lucas mit einem Lächeln voller Zärtlichkeit.
Dorian lugte in das kleine Gesicht. »Darf ich sie mal halten?«
»Aber wehe, du flirtest mit ihr«, sagte Lucas und reichte dem blonden Wächter das Kind. Sofort scharten sich Dorians Gefährtin und die Gefährtinnen der anderen Wächter um ihn, um es auch einmal in den Arm zu nehmen. Dann gaben sie es dem finster blickenden Dorian zurück und gingen zu Sascha hinein. Bald hörte man vielstimmiges Lachen aus dem Schlafzimmer.
Sienna beschloss, sich die kleinere Anzahl von Leuten zunutze zu machen, und stellte sich strategisch geschickt neben Mercy, die Nadiya Nate gestohlen hatte, der sie Clay abgenommen hatte, der sie Dorian geraubt hatte.
»Bitte«, sagte Mercy. »Willst du sie auch mal halten?«
»Ich habe Angst.« Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie ihre Befürchtung laut zugegeben.
Lachend zeigte ihr Mercy, wie sie den Kopf halten müsse, und legte ihr Nadiya in den Arm. »Sie ist so winzig.« Sienna hob die Decke ein wenig an und spähte in das Miniaturgesicht und auf die Fäustchen mit den winzigen Fingernägeln. Das Kind hatte die Bewunderungstour verschlafen, reckte aber nun die Fäuste, bevor es sich wieder beruhigte. Sienna war vollkommen fasziniert, sie hätte es stundenlang anschauen mögen.
Doch es war ihr auch bewusst, dass alle das Neugeborene einmal halten wollten, mit leichtem Bedauern gab sie den Schatz an Vaughn weiter. Der Jaguar tippte mit dem Finger sanft auf die kleine Nase. »Hallo, kleine Naya«, sagte er. »Du bist aber hübsch.«
Lucas lächelte. »Das ist auch Saschas Kosename für sie.« Er nahm Vaughn das Kind wieder ab. »Komm, kleine Prinzessin. Mama vermisst dich sicher schon – Herzen kannst du später noch genug brechen.«
Alle lachten. Und dieses Lachen blieb Sienna am deutlichsten in Erinnerung, als sie am späteren Abend den Wolfsgefährten alles berichtete.
»Wir haben bereits die Nachricht erhalten, dass Mutter und Kind wohlauf sind«, sagte Hawke, der am Tresen des Aufenthaltsraums stand. »Aber ich sollte wohl lieber noch nicht hingehen.«
Sienna saß ihm gegenüber an einem Tisch und musste gegen das Bedürfnis ankämpfen, zu ihm zu gehen und die Nähe herzustellen, die sie nun schon mehr als einen Tag lang entbehrte. Seit sie ihn berührt und geküsst hatte, konnte sie nicht mehr begreifen, wie sie es so lange ohne eines von beiden ausgehalten hatte. »Ich glaube auch, dass es klüger wäre, noch zu warten«, sagte sie. »Lucas ist seiner Raubkatze im Augenblick sehr nah.« Die Augen des Leoparden waren die der Katze gewesen – einer glücklichen, aber dennoch wilden Katze.
»Wie sieht die Kleine
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