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Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Titel: Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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gekommen. So strich meine Mutter den Wochenlohn ein, ich bekam meine erste Anstellung und Mr Jacobs eine neue Auszubildende.
    Mein Arbeitgeber war ein hochgewachsener, ausgemergelter Mann, der seit zwanzig Jahren in unserer Gegend tätig war. Die Bewohner unserer Stadt begegneten ihm mit einem Respekt, der an Hochachtung grenzte, trotzdem machte ihn sein Beruf zum Außenseiter. Deshalb umgab er sich absichtlich mit einem Hauch des Geheimnisvollen, wenn nicht gar Okkulten. Seine Haut war leichenblass, er hatte eine Adlernase und einen schwarzen Bart und trug einen altmodischen schwarzen Anzug wie ein Bestattungsunternehmer. Er war Kettenraucher, hatte immer Eisenspäne in den Jacketttaschen und wechselte nur selten die Kleidung. Sein Degen war mit gelben Ektoplasma-Flecken übersät.
    Bei Einbruch der Dunkelheit ging er mit seinen fünf, sechs jugendlichen Mitarbeitern in der Stadt und der Umgebung auf Streife. Wenn es irgendwo Alarm gab, war er zur Stelle, wenn alles ruhig blieb, kontrollierte er die öffentlichen Plätze und Gebäude. Die Älteren von uns Kindern, die bereits die dritte Prüfung abgelegt hatten, trugen Waffengürtel und Degen, die Jüngeren, zu denen ich gehörte, lediglich Schultertaschen mit der Grundausstattung. Trotzdem gefiel es mir, ein Mitglied dieser auserwählten Gemeinschaft zu sein, und ich kam mir sehr wichtig vor, wenn ich in meiner senffarbenen Uniformjacke dem berühmten Mr Jacobs auf den Fersen folgte.
    Im Lauf der nächsten Monate lernte ich, Salz-Magnesium-Mischungen herzustellen und die Eisenspäne je nach den vermuteten Kräften des jeweiligen Geistes zu dosieren. Ich war dafür zuständig, Gürteltaschen zu bestücken und Taschenlampen zu überprüfen, Petroleumlampen nachzufüllen und Ketten zu ölen. Ich putzte Degen und kochte Tee und Kaffee. Wenn der Lieferwagen von Sunrise aus London kam, brachte ich Salzbomben und Büchsen mit Griechischem Feuer ins Lager und verstaute sie in den Regalen.
    Jacobs merkte rasch, dass ich die Besucher zwar ganz gut sehen konnte, sie aber besser hörte als meine Kollegen. Ich war noch keine neun Jahre alt, da verfolgte ich das Raunen der Roten Scheune zu dem morschen Pfahl zurück, der das Grab des Verbannten bezeichnete. Als sich der entsetzliche Vorfall im Hotel zum Schwan ereignete, vernahm ich als Einzige die leisen Schritte, die uns folgten, und bewahrte uns alle davor, von der Geistersieche befallen zu werden. Zur Belohnung wurde ich rasch befördert. Ich erreichte den Ersten und Zweiten Grad doppelt so schnell wie meine Kollegen und an meinem elften Geburtstag erhielt ich den Dritten. Voller Stolz trug ich meinen ersten eigenen Degen nach Hause, außerdem meinen versiegelten amtlichen Ausweis, ein Exemplar von Fittes Leitfaden für Agenten sowie – das freute meine Mutter am meisten – ein deutlich höheres Monatsgehalt als vorher. Damit wurde ich zur Hauptversorgerin der Familie, denn ich arbeitete zwar nur vier Nächte pro Woche, verdiente damit aber mehr als meine Mutter an sechs vollen Arbeitstagen. Daraufhin gönnte sie sich eine neue Geschirrspülmaschine und einen größeren Fernseher.
    Aber ich war ohnehin nur noch selten zu Hause. Meine Schwestern waren schon fast alle ausgezogen, bis auf Mary, die in einem Lebensmittelladen arbeitete. Da meine Mutter und ich uns noch nie viel zu sagen gehabt hatten, kam ich nur zum Schlafen heim. Die restliche Zeit (also die Nachtstunden) verbrachte ich mit den anderen jungen Agenten von Jacob. Sie standen mir sehr nahe. Wir arbeiteten miteinander. Wir feierten zusammen. Wir retteten einander immer mal wieder ein bisschen das Leben. Wenn es euch interessiert: Sie hießen Paul, Norrie, Julie, Steph und Alfie-Joe. Du brauchst dir die Namen nicht zu merken. Sie sind inzwischen alle tot.
    Ich wuchs zu einem hochgewachsenen, sportlichen Mäd chen heran, mit großen Augen, ausgeprägten Brauen und einem Schmollmund. Meine Nase fand ich einen Tick zu lang. Ich war keine klassische Schönheit, aber davon konnte man sich auch nichts kaufen, wie meine Mutter zu sagen pflegte. Ich war schnell und wendig, geschickt im Umgang mit dem Degen und vor allem ehrgeizig. Ich tat, was man mir sagte, und fügte mich in das Team ein. Ich hatte gute Aussichten, demnächst den Vierten Grad zu erhalten und Sektionsleiterin zu werden. In dieser Position führte man sein eigenes kleines Team und traf selbstständig Entscheidungen. Mein Beruf war gefährlich, aber erfüllend. Ich hätte rundum zufrieden sein können,

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