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Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Titel: Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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dass ich nichts Konkretes beobachtet hatte.
    In seiner Zusammenfassung bedauerte der Untersuchungsrichter ausdrücklich, dass mein Bericht hinsichtlich der Stärke des Besuchers nicht präziser gewesen war. Andernfalls wären meine Kollegen möglicherweise noch am Leben. Das Urteil lautete schließlich »Tödliches Missge schick«, wie es bei solchen Vorkommnissen üblich ist. Die Angehörigen wurden aus dem Fittes-Fonds finanziell entschädigt, und auf dem Marktplatz wurden kleine Plaketten angebracht, die an ihre Kinder erinnerten. Die Mühle wurde auf behördliche Anordnung abgerissen, das Grundstück mit Salz ausgestreut.
    Mr Jacobs nahm bald darauf seine Geschäfte wieder auf. Man ging allgemein davon aus, dass auch ich, nach einer kurzen Erholungspause, wieder zu ihm zurückkehren würde. Ich aber entschied mich dagegen. Ich gönnte mir drei Tage Ruhe. Am frühen Morgen des vierten Tages, als meine Mutter und Mary noch schliefen, packte ich meine wenigen Habseligkeiten in einen kleinen Rucksack, band meinen Degen um und verließ mein Elternhaus ohne ein Wort des Abschieds und ohne jegliches Bedauern. Eine Stunde darauf saß ich im Zug nach London.

Kapitel 6
    LOCKWOOD & CO.,
    die bekannte Agentur für übersinnliche Ermittlungen, sucht jungen Außendienstmitarbeiter. Zum Aufgabengebiet gehören Untersuchungen gemeldeter Heimsuchungen vor Ort sowie deren Unterbindung. Der Bewerber sollte vorzugsweise SENSIBEL für übernatürliche Phänomene sein, gut gekleidet, idealerweise weiblich und höchstens fünfzehn Jahre alt. Schwätzer, Betrüger, Vorbestrafte und dergleichen zwecklos. Schriftliche Bewerbungen mit Bild an: Lockwood & Co. – Portland Row 35 – London W 1.
    Ich stieg aus und schaute dem davonfahrenden Taxi nach. Das Motorengebrumm verklang. Alles war sehr still.
    Die Sonne beschien den Asphalt und die Stoßstange an Stoßstange geparkten Autos. Auf dem Bürgersteig spielte ein kleiner Junge mit Geistern und Agenten aus Plastik. Die Agenten hatten winzige Degen, die Geister glichen schwebenden Bettlaken. Sonst war kein Mensch zu sehen.
    Ich war in einem Wohnbezirk gelandet. An den säulengestützten Veranden der altmodischen Villen hingen Körbe voller Lavendel. Souterrainwohnungen waren über Treppen von der Straße her zu erreichen. Alles verströmte den Eindruck maroder Pracht.
    Es war eine Gegend, in der sowohl die Gebäude als auch die Bewohner schon bessere Zeiten gesehen hatten. An der Ecke war ein kleiner Laden, in dem es von Obst und Schuhcreme über Milch und Leuchtbomben so gut wie alles zu kaufen gab. Vor der Tür hing eine zerbeulte Geisterlampe an einem zweieinhalb Meter hohen Mast, der wie eine griechische Säule gestaltet war. Ihre Scheiben waren verhüllt, die Blenden vor den Linsen geschlossen und die Blitzlichter erloschen. Rost blühte wie Bartflechten auf dem eisernen Gehäuse.
    In einem Autofenster warf ich einen letzten Blick auf mein Aussehen, nahm noch einmal die Mütze ab und fuhr mir durchs Haar. Sah so eine fähige Mitarbeiterin aus? Jemand mit der passenden Vorgeschichte und den gewünschten Qualifikationen? Oder sah ich eher aus wie ein abgerissener Niemand, der in den letzten sieben Tagen von sechs Agenturen abgewiesen worden war? Schwer zu sagen.
    Ich stapfte los.
    Nummer 35 war ein weißes, mehrstöckiges Gebäude mit verwitterten grünen Fensterläden und rosa bepflanzten Blumenkästen. Das Haus wirkte noch vernachlässigter als seine Nachbarn. Es hätte einen neuen Anstrich vertragen können oder wenigstens eine Fassadenreinigung. Auf einem kleinen Holzschild am Treppengeländer stand zu lesen:
    A. J. Lockwood & Co., Ermittlungen
Bei Dunkelheit bitte läuten und vor der Eisenlinie warten.
    Einen Augenblick lang blieb ich unschlüssig stehen und dachte sehnsüchtig an das schicke Stadthaus von Tendy & Söhne , die großzügigen Büroräume von Atkins und Armstrong , das glänzende Glasgebäude der Agentur Rotwell in der Regent Street … Aber dort hatte man mich nicht genommen. Ich hatte keine andere Wahl und musste nehmen, was sich mir bot.
    Ich stieß das schief in den Angeln hängende Eisentor auf und betrat den mit geborstenen Fliesen gepflasterten Weg zur Haustür. Eine Treppe führte in einen kleinen Hof hinunter, der von Efeu überwachsen und mit vernachlässigten Topfpflanzen vollgestellt war. Quer über den Weg verlief eine Reihe schmaler Eisenplatten, daneben stand ein Pfosten, den eine große Glocke mit hölzernem Klöppel zierte. Vor mir erhob sich eine

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