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Loecher, noch und noecher

Loecher, noch und noecher

Titel: Loecher, noch und noecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Rebhandl
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den Mund von einer rassigen Dame ertastet, das ist dann schon sehr bitter, weil gerade vor Weihnachten der Mensch besonders gern mit seiner Zunge in fremden Mäulern herumfuhrwerkt, er braucht ja nur bei der Punschhütte vorbeifahren und nachschauen, wer sich dort aller mit der Zunge gegenseitig die Mandeln abtastet, und das alles unter dem Deckmantel „betriebliche Weihnachtsfeier“, er könnte sich Tag und Nacht anspeiben.
    Mit schwerer Hand greift der Biermösel dann zum Telefonhörer, weil er endlich den Stararchitekten Wollatz erreichen und ihn wegen Um- und Ausbau vom Scheißhaus gleich auf einen Termin festnageln will. Aber der Wollatz ist seit Tagen verschellt und wie vom großen Loch verschluckt. Hoffentlich liegt er nicht als Schneeleiche irgendwo da draußen in der weißen Hölle herum, wünscht sich der Biermösel inständig, von oben bis unten durchlöchert von der wildgewordenen Jägermeute, nichts kann er jetzt weniger brauchen als eine von der wildgewordenen Jägermeute durchlöcherte Schneeleiche.
    Wie der Biermösel aber die alte Drehwählscheibe an seinem Telefon anwerfen will, mit schweren Fingern und schwerem Haupte, wie er dabei fast einschläft, weil ihn die Last vom insgesamt misslungenen Leben so niederdrückt, da läutet das Telefon auf einmal bei ihm selbst, und insgeheim hofft er natürlich, dass es die Anni ist mit einem verzweifelten Schluchzen im Kehlchen und dem unbändigen Wunsch, dass sie sich ihm erklären und alles wieder gutmachen kann.
    Aber wie der Biermösel abhebt, ist nicht die Anni dran, sondern der Doktor Krisper, und der sagt in seiner unnachahmlichen Art „Serrrrvus Bierrrrmäsel, wie gäht äs dirrrr?“, du meine Güte, weiß der Biermösel sofort, jetzt kann er sich wieder was anhören, weil jeder vor Weihnachten seine eigene Art hat, die Einsamkeit zu bekämpfen, und beim Doktor Krisper heißt diese Art leider Reden und nocheinmal Reden.
    Normalerweise legt der Biermösel ja sofort auf, wenn ihn der Rattenfänger in seiner Funktion als willfähriger Parteisoldat wegen irgendeiner Aktion von seiner depperten Bundesregierung anruft. Aber diesmal hat er so ein gewisses Gefühl in den Venen, dass der langweilige Teil von seiner Ansprache – „Hörst du mir zu, Biermösel, es ist bitte Folgendes: Die Bundesregierung macht immer wieder viel super Aktion, diesmal Weihnachtsaktion, was nennt sich: ,Lass dir in den Kamin schauen, auch Santa Claus tut es!‘, was will wiederum sagen: Prostata-Vorsorge-Untersuchung für den Mann ab 40, aber du bist 59 und mein schwierigster Patient...“ – noch von einer für ihn immens wichtigen Information begleitet werden könnte, und richtig: „...Weil eigentlich ich warte auf das Stararchitekt Wollatz“, hört der Biermösel den Doktor Krisper weiter erzählen, „was aber kommt und kommt nicht daher, also magst nicht kommen du vorbei, solange ich warte auf Wollatz, kriegst auch Weihnachtsliedbuch von die Parteigranden als kleines Zuckerl, als Gusto, geh Biermösel, ist wirklich einmaliges Gesangsbuch.“
    „Drauf geschissen auf dein Gesangsbuch, und drauf geschissen, auf deine depperten Parteigranden!“, sagt der Biermösel.
    Aber dass der Wollatz jetzt eigentlich zum Doktor Krisper in die Ordination kommen soll, das interessiert ihn dann schon sehr, also hakt der Biermösel mit dem gewissen Unterton nach, der normalerweise den Verdächtigen in die Enge treiben soll: „Sag einmal ganz ehrlich, Krisper, baust du dir vielleicht auch das Scheißhaus um, oder was ist los mit dir?“
    „Aber nein, Biermösel“, kann ihn der Doktor Krisper mit seinem hysterischen Lachen beruhigen, „Komme ich ja aus Bulgarien, wo Qualität von Scheißhäuser ist unter jede Sau, also bin ich anspruchslos total diesbezüglich.“
    Gott sei Dank bist du anspruchslos total diesbezüglich, denkt sich der Biermösel, und dann fasst er einen für seinen verlangsamten Dämmerzustand relativ schnellen Entschluss: „Komme!“
    Allerdings natürlich nicht, damit er sich vom bulgarischen Frankenstein den Kamin kehren lässt, sondern nur deshalb, weil er bei ihm vielleicht den Wollatz doch noch vor Weihnachten antreffen könnte.
    Die Fahrt hinüber in die Ordination wird er aber nicht ganz ohne die Seelentröster schaffen, die ihm der Herr Doktor in seiner eigene Hexenküche zusammengebaut hat. Also robbt er schwach und immer schwächer hinaus zum Schreibtisch, neben dem die Kisten mit den gelben Tabletten stehen. Aber wie er die erste aufmacht, muss er

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