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Loecher, noch und noecher

Loecher, noch und noecher

Titel: Loecher, noch und noecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Rebhandl
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einen dramatischen Alarmeinsatz vor, bei dem alle ins zweite Glied rücken und ihn allein an vorderster Front agieren lassen müssen. Entschlossen wie der Texasranger sich dem Terrorkommando nähert, nähert er sich der Tür zur Ordination vom Doktor Krisper, „Psst!“, sagt er dabei mit dem dicken Wurstfinger gegen den Mund gedrückt, immer wieder sagt er „Psst!“, alles hat er ja nicht vergessen, was er oben in der Gendarmerieschule im Fach „Dschungelkrieg“ gelernt hat, und das Wichtigste beim Dschungelkrieg ist das „Psst!“-Sagen. Die schreienden Kinder und verängstigten Alten allerdings, über die er dabei hinwegsteigen muss, will er dann lieber schnell vergessen. Aber wie er endlich die Tür eintreten und dem ganzen Spuk ein Ende bereiten will, stellt sich ihm aus dem Hinterhalt der kleine Willi in den Weg, zielt mit seiner Plastikspritze auf ihn und sagt: „Hände hoch, oder ich schieße!“
    „Oder was?“ schreit der Biermösel zurück.
    Wenn der Biermösel nämlich was überhaupt nicht leiden kann, dann ist das die Unart der jungen Leute, dass sie so undeutlich reden. Also stellt er die Trompete auf „Blizzard“ und bläst den kleinen Willi an, dass ihm die Ohren flattern:
    „Hast du ,Ich schieße’ oder ,Ich scheiße’ gesagt, Herrgottnocheinmal, mach den Mund auf beim Reden!“
    Da scheißt sich der kleine Willi vor Angst in die Hosen, und spätestens jetzt merkt er, dass er die Lage völlig falsch eingeschätzt hat und es mit einem deutlich überlegenen Gegner zu tun hat, trotzdem alle im Ort über ihn erzählen, dass er komplett verweichlicht und kein richtiger Gegner mehr ist.
    „Warst du denn im Frühjahr nicht in der Schule“, schreit ihn der Biermösel weiter an, „wie ich Pädagogik I und II unterrichtet habe, zum Zwecke der Abschreckung?“
    Da zucken überhaupt alle zusammen, die im Wartezimmer sitzen und früher einmal in Aussee in die Schule gegangen sind, und jeder erinnert sich mit Schrecken in den Augen, dass der Biermösel jedes Mal im Frühsommer knapp vor Schulschluss in die Schule gekommen und der Frau Lehrerin gesagt hat, dass sie heute „Pädagogik“ auf den Stundenplan setzen soll. Und wenn sie dann seine schweren Schuhe draußen am Gang gehört haben, dann haben die kleinen unschuldigen Kindern drinnen in ihren Klassenzimmern schon nach Luft geschnappt, so wie jetzt alle nach Luft schnappen, die sich noch daran erinnern.
    Der Biermösel hat den hoffnungsvollen Nachwuchs lieber besucht, bevor er was angestellt hat, und er hat sich die am wenigsten Hoffnungsvollen herausgeholt, die mit U-Hakerl geschossen und den Mäderln unter den Rock geschaut haben. Die hat er an den Ohrwascherln nach vor zum Katheder gezogen und ihnen seine Riesentrümmer-Fäuste unter die Nase gehalten und gesagt:
    „Damit das ein für allemal klar ist: Die Linke heißt ,SS 20’, und die Rechte heißt ,Pershing II‘, oder auf Deutsch und zum Mitschreiben in Schönschrift: Die Linke heißt ,Krankenhaus’, und die Rechte heißt ,Friedhof’. Also immer schön aufpassen, dass ihr nicht in einen von den zwei Stahlbrechern hinein rennt, wenn ihr einmal größer seid und glaubt, die allgemein katastrophale Arbeitsplatzsituation abseits der Zwiebelschälerei ist der Freifahrtschein für ein Leben jenseits von Recht und Ordnung, das ist sie nämlich sicher nicht!“ Und dann hat er ihnen den Strafenkatalog auseinandergesetzt:
    „Fangen wir so an: Wer von euch den reichen Pfaffen stiehlt, der hat meinen Segen. Wer aber den Marillenbrand vom Tötschinger aus dem Supermarkt holt – ,Krankenhaus!’ Und wer überhaupt lebensmüde ist und vielleicht den Schweinsbraten bei der Roswitha zwar verschlingen, aber nicht bezahlen will —, Friedhof!’“
    Weil der kleine Willi aber wahrscheinlich Masern gehabt hat, wie er gelehrt hat, will der Biermösel ihn in einer Art Nachhilfestunde die versäumte Unterrichtseinheit nachholen lassen.
    Schon hat er den einen Fuß am Sessel und eine Hand am Wollstutzen, schon schaut er ihn mit pädagogischen Augen an. Aber da hört er die verweichlichten Volksmassen hinter sich wimmern und jammern:
    „Nicht die Venen, Biermösel! Bitte erspar ihm die Venen!“ Na gut, gibt der Biermösel dieses eine Mal dem Drängen der verweichlichten Volksmassen im Wartezimmer nach, dann halt nicht die Venen, sondern nur die Trompete ins Ohr vom Willi:
    „Dort ist die Tür!“
    Da fällt der Willi in Ohnmacht, was dem Biermösel persönlich zwar Leid tut. Aber jetzt weiß

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