Loecher, noch und noecher
mit einer komplett ruinierten Schädeldecke darunter gefunden hat, den Gamsbart am Hut komplett verbogen, die Zunge schon dick angeschwollen, die Augen groß wie Handgranaten, da hat der Alte zu ihm gesagt, er soll ihm den Gnadenschuss geben, „einmal mach dich nützlich!“, hat er ihn angeschrieen, „sonst bist du mir ja eh keine Hilfe!“
Das hat dann schon weh getan.
Aber der Biermösel hat es trotzdem nicht übers Herz gebracht. Stattdessen hat er den Alten geschultert und ihn auf der Fips ins Krankenhaus nach Gmunden hinauf gebracht, wo er ihn abgegeben hat. Und wie die Götter in Weiß ihm dann bei der Erstversorgung gesagt haben, dass sie ihm zwar den ruinierten Schädel samt dem austretenden Hirn wieder zusammenpicken, nicht aber all die Verheerungen bereinigen können, die sich für das äußere Auge unsichtbar in seinem Inneren abspielen. Zum Beispiel haben sie sich über seine wirklich einmalige Leber gewundert, die größer war als das Praterstadion in Wien, und über seine wirklich sehr außergewöhnlichen Zuckerwerte — Zucker, haben sie gesagt, Zucker hat er so viel, dass er damit ein halbes Jahr lang ein ganzes Cafehaus in Wien unten versorgen könnte, Zucker hat er wirklich mehr als genug.
Damit war die Sache besprochen und sein Schicksal besiegelt. Wie er dann aus dem Koma erwacht ist, war nicht nur sein Schädel bandagiert wie der von einer ägyptischen Mumie, sondern auch sein linker Huf amputiert, schnipp schnapp schnappi, aber die Amtsübergabe zuvor ist im Wesentlichen klaglos verlaufen.
Da schaut der Biermösel nocheinmal mit Dankbarkeit das Gemälde vom Alten an, das über dem Schreibtisch hängt und das ihn mit den Insignien der Sozialdemokratie zeigt und mit der linken Faust zum Gruß erhoben. Der Biermösel grüßt ihn mit seiner schwachen linken Pranke zurück und kippt ein schnelles Flascherl auf sein Wohl. „Frohe Weihnachten!“, sagt er. „Und Freundschaft“.
Dann richtet sich der Biermösel endlich für den Arztbesuch her. Er kämmt und schnäuzt sich, wie er das immer tut, wenn er zum Doktor geht. Und wie er vor dem Spiegel steht, sieht er zwar mittlerweile alles ein bisserl doppelt, weil er schon so elendig schwach ist. Aber so sieht er halt zwei Löcher statt einem in seinem Schädel, und genauso doppelt sieht er das verschorfte Blut, das ihm über die Stirn geronnen ist. „Oh Haupt voll Blut und Wunden“, seufzt er und stellt sich den Dornenkranz dazu vor, den er sich jetzt um den Schädel wickeln könnte, weil das wirklich auch schon wurscht wäre.
Aber pass auf, Biermösel, schon wieder komplett falsches Fest!
Doktor Krispov
Wie der Biermösel schließlich mit seinen innerlich und äußerlich bedenklich verdreckten Bergschuhen das gesteckt volle und komplett überhitzte Wartezimmer vom Doktor Krisper betritt, sind seine Augen trotz Windschutz und Schibrille nach einer abermals sehr abenteuerlichen Fahrt, während der es ihn gezählte fünfzehn weitere Male abwechselnd auf den Scheißer und natürlich auch wieder auf den Schädel gehaut hat, so verdreckt mit Schnee und allem möglichen anderen Zeug (die Luft ist so schmutzig heutzutage!), dass er jetzt nicht nur alles doppelt, sondern auch noch alles verschwommen sieht, danke herzlich.
Ein erster verschwommener Rundumblick im Wartezimmer lässt ihn dann folgende Vorgehensweise wählen:
Bevor er jetzt lange herumscheißt und sich eine Wartenummer zieht, bevor er sich vielleicht hinten anstellt und der Sprechstundenhilfe dann des Langen und Breiten erzählt, was genau er doppelt sieht und was nur verschwommen, zieht er lieber die Glock und hält sie jedem unter die Nase, der ernsthaft glaubt, er ist auf der Warteliste vor ihm gereiht, welche namentlich sind: der freche Rotzbub vom Tischlermeister Rodriguez (Hals- und Beinbruch beim Eislaufen) und die Berger-Oma (künstlicher Darmausgang, zwar nur leicht verrutscht, aber schwer verdaulich für die Umgebung, wegen Geruchsattacke). Denen beiden schiebt der Biermösel die Glock so weit in die Nasenlöcher hinauf, bis sie endlich verstehen, dass er vor ihnen dran ist. Und weil er ja nicht nur zum Spaß da ist, sondern den Wollatz sucht, nimmt er gleich noch jeden anderen im Wartezimmer unter die Lupe und schaut ihn sich von oben bis unten genau an, aber der Wollatz, muss er leider sagen, ist nicht dabei, weder doppelt noch verschwommen.
Also weiter im Gefecht!
Der Biermösel täuscht mit der Glock in der erhobenen Hand und strengem Blick in den verdreckten Augen
Weitere Kostenlose Bücher