Loecher, noch und noecher
beim Fenster hinaus, damit er sich ungefähr vorstellen kann, was ihn draußen an Eiseskälte und Winterstürmen alles erwarten wird, wenn er gleich die mächtige Nase und dann alles Übrige von seinem gequälten Körper in die steife Nordwindbrise hinaushalten wird, die sich mittlerweile freilich zu einem gewaltigen Schneesturm ausgewachsen hat, wie der heulende Kojote streicht er über das vorweihnachtliche Land.
Was das Wetter betrifft und seine Vorhersagen, verlässt sich der Biermösel seit langem auf seine eigene persönliche Wetterwarte, die er an seinen Unterschenkeln mit sich herumträgt, wo die Krampfadern ein einmalig schönes Flussdelta ergeben. Die schöne blaue Donau unten in Rumänien hätte ihre ausgesprochene Freude, wenn sie sich durch so ein herrliches Delta ins Schwarze Meer wälzen könnte, vielleicht, denkt er sich jetzt, wie ihn die schwarzgallige Melancholie immer noch weiter niederdrückt, vielleicht, dass er ja das Zeug zum Flussdelta gehabt hätte? Dick wie die Pipeline im Nordkaukasus und verstopft wie der Abfluss im Slumviertel unten in Kalkutta sind seine Venen. Jede minimalste Veränderung in Temperatur und Luftdruck ruft dort unten verlässlichst die verheerendsten Schmerzen hervor, darum will der Biermösel jetzt gar nicht verstehen, warum der Staatsfunk nicht schon längst ihn als einzig verlässliche Wetterfee in die Abendnachrichten gestellt hat und ihm so die Verehrung durch die Volksmassen als Wettergott vergönnt wäre, muss er denn wirklich erst eine Religion gründen, damit auch ihn die Volksmassen endlich verehren?
Seine Venen haben sich jedenfalls zu perfekten Kündern der hiesigen Wetterkapriolen ausgewachsen, und heute melden sie ihm, dass er die Heimreise bitte nicht ohne seinen sicheren Führer Lindbichler antreten soll, so ein Sauwetter hat es beisammen.
Der Biermösel macht die Augen zu, wie er immer noch beim Fenster steht und darauf wartet, dass sich die Dämmerung über das weite Land legt, und dann hört er endlich den Lindbichler in seinem Unimog draußen in der winterlichen Natur herum fahren, und seine Schaufel hört er über den Asphalt donnern, und er weiß, dass er jetzt beruhigt in den unwirtlichen Abend hinaustreten und mit der Fips durch die lange Gerade im Silbertannenwald hinüber in Richtung Auerhahn fahren kann, wo das Nachtmahl von der Roswitha auf ihn wartet. Der Lindbichler täte ihn nämlich finden, falls es ihn irgendwo herstreut, so wie er ihn schon zu Allerheiligen drüben im Krautacker vom Brunner-Bauern gefunden hat, und er täte ihn retten wie der Erlöser den Sünder, bevor es ihn zuschneit, was bei diesen Straßenverhältnissen und in letzter Zeit nur allzu oft passiert.
Bis vor kurzem aber ist der Biermösel noch wie der böse Bruder vom Django ohne Wetterfleck und mit offenem Flanellhemd durch die Winterstürme Richtung Auerhahn hinüber geritten und hat dabei zur Not die Rollen sogar umgedreht und die Fips geschultert und ist mit ihr querfeldein durch den brusthohen Schnee gestapft wie der Eisbär durch die Antarktis. Aber seit seinem Unfall im Krautacker und nach der sonnengelben Medikamentierung durch den Doktor Krisper ist er jetzt allzu vorsichtig geworden. Und er setzt sich heute sogar die gestrickte Pudelhaube mit den Ohrenschützern auf, die ihm die Roswitha jedes Jahr wieder zu Weihnachten schenkt, Heiliger Bimbam, er erkennt sich selbst nicht wieder!
„Deine Gesundheit steht auf wackeliges Bein“, hat der Doktor Krisper während der letzten Untersuchung zu ihm gesagt, „sprich: In klirrende Kälte lauert endgültige Tod auf dich, falls du nicht dich einpackst wie Schnitzel in Panier, sprich: Schon das normale Mensch besteht aus Wasser zu 90 per cent, du aber, Biermäääsel, bestehst aus Bier zu 100 per cent, also setzt lieber Pudelhaube auf, sonst bist du schneller eingefrorenes Bierfass, als du kannst schauen“.
Warum bitte, fragt sich der Biermösel innerlich, ist ihm denn nicht früher schon aufgefallen, was der Herr Doktor dauernd für einen Blödsinn daher redet.
Wie der Biermösel dann mit seinen gewaltigen Bergschuhen die ersten tiefen Spuren in den jungfräulichen Schnee vor dem Gendarmerieposten draußen pflügt, findet er die Fips erst nach langem Suchen und bis über beide Bremskabel hinaus eingeschneit vor, nur der Rückspiegel ragt noch ein bisserl aus dem ganzen Schneechaos heraus wie der lange Stiel von der vergessenen Schneeschaufel neben der Almhütte. Er schiebt und zerrt die Fips mit der
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