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Loecher, noch und noecher

Loecher, noch und noecher

Titel: Loecher, noch und noecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Rebhandl
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mehr aufhören will zu zittern, ist für den Grasmuck klar, dass er unerwartet doch auf die richtige Spur geraten ist, und er freut sich schon darauf, dass er dem Biermösel endlich einmal eine Freude machen und ihm die Goldhaube auf dem Silbertablett servieren kann, als Weihnachtsgeschenk ist das heuer sicher besser als schon wieder eine Flasche Schnaps vom Tötschinger, auch wenn der Schnaps vom Tötschinger wirklich einmalig ist.
    „Was?“, fragt der Grasmuck streng und lehnt sich weit zum Portier in die Portiersloge hinein, während er mit der Glock die enge Holzstiege hinauf deutet. „Was geht da oben vor sich?“ Ein Satz, den er schon oft im Freitagskrimi gehört hat.
    „Ronaldo Schuster am Apparat“, hörte der Shubidu Jack vor ein paar Tagen diese aufgedrehte, durch und durch unsympathische Stimme am anderen Ende der Leitung, als er einen überraschenden Anruf entgegen nahm, „Ronaldo Schuster, immer locker, immer Vollgas!“, schrie er ihm ins Ohr. Der Shubidu Jack hatte schon lange kein Management mehr, das ihm unseriöse Angebote vom Hals hielt. Genau genommen hatte er schon lange nicht einmal mehr unseriöse Angebote. Also wollte er nicht gleich auflegen, als der Kerl ihn mit seinem strengen Dialekt einfach duzte und sagte:
    „Hör zu, Shubidu, Vorschlag: Comeback des Jahres! Was hältst du davon?“
    „Wann?“ war seine schlichte Frage. „Und wo?“ „Zu Weihnachten in Goisern“, war die nicht minder schlichte Antwort.
    Bis dahin hatte der Shubidu Jack noch nie von einem Ort Goisern und einem Konzertveranstalter names Ronaldo Schuster gehört. Aber was sollte auf einen von der ganzen Welt verlachten Knallchargen und Pausenclown der Schlagerszene denn Schlimmeres warten als das, was er ohnehin hatte: Ein einsames Leben in einem schäbigen Dauerquartier am Rande von Augsburg. Noch keine 60 Jahre alt, aber schon lange in den Club Lagrima auf Radio Schmalz abgeschoben, da soll keine Träne ungeweint bleiben?
    Drei Tage zuvor hatte er einen Termin bei seinem neuen Arbeitsmarktbetreuer, der den Schweiß der neuen Zeiten ausdünstete. Ein junger Furzkissenfurzer, der noch nie von „Shubidu Jack“ gehört hatte und ihn als Klaus Kastenberger in seiner Datei führte, erlernter Beruf: Keiner. Hautfarbe: Schwarz. Nationalität: Deutsch.
    „Haha!“, lachte der über ihn, „Du willst ein Deutscher sein?“, Entsprechend respektlos behandelte er ihn, so wie die liebe Familie ihre überflüssig gewordene Oma behandelt. „Du bist am Ende, Kastenberger“, sagte er, „aber ich geb dir noch eine Chance. Da wäre dieser Weihnachtsmann-Ein-Euro-Job im Einkaufszentrum von Augsburg-Süd, Santa Klausi sozusagen, aber oho“, lachte er, „das geht ja gar nicht, du bist ja schwarz wie die Nase vom Schneemann, da würden die armen Kinder doch denken, hier sitzt der Schornsteinfeger, der für Santa Claus den Kamin kehrt, damit er darin landen kann. Mal sehen, was wir sonst noch haben.“
    Er hatte noch diesen anderen Ein-Euro-Job als Backgroundsänger für die Augsburger Puppenkiste, aber daraus wurde dann auch nichts, weil der Jack nicht mehr wollte.
    Den ganzen Nachmittag über ist er nun in seinen Thithy Whiteys vor einem matten Spiegel gestanden und hat noch einmal die alten Posen geübt, ein Glas Rasierwasser in der einen Hand, ein Glas Möbelpolitur in der anderen, zu edlerem Zeug hat es nicht mehr gereicht, die Minibar war leer, bis auf die Mäusescheiße, die er darin gefunden hat.
    Er probte die Kusshand fürs Publikum, das Fangen der Höschen, die ihm die Damen immer zuwarfen, den geschmeidigen Shubudi-Walk, der ihn zumindest in Deutschland und Österreich weltberühmt machte.
    Aber das alte Gefühl wollte sich nicht mehr einstellen. Er spürte das Brennen der Scheinwerfer nicht und hörte nicht mehr das Tosen des Applauses.
    Müde sank er in den einzigen Stuhl im Zimmer. Dort saß er dann und starrte auf den Spannteppichboden, der mit allen möglichen human fluides („Wäääh!“) bekleckert war. Er starrte auf die rotweißrote Bettwäsche, die grünen Vorhänge, das Hirschgeweih an der Wand und ein Bild der hiesigen Bundesregierung darunter. Er dachte: How low can you go? Das Goldene Kalb in Goisern ist definitiv nicht das Mirage in Vegas!
    Dann blickte er beim Fenster hinaus und beobachtete diesen besoffenen Gendarmen, der in dichtem Schneefall breitbeinig aus dem gegenüberliegenden Puff zum Goldenen Kalb herübergewankt kam, ähnlich diesem Spaßaffen Ronaldo Schuster mit seinem weißen

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