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Loewenmutter

Loewenmutter

Titel: Loewenmutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esma Abdelhamid
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Mutter?« Die Mutter hustete und wackelte ein bisschen mit dem Kopf: »Es gibt keinen Besseren für dich. Der Vater bestimmt. Richte dich her und sei höflich zu dem Mann, wenn er wiederkommt. Damit er sieht, was für eine schöne Frau du bist.« – »Ja, aber wie ist er? Freundlich, nett? Was ist das für ein Mann?« Darauf erhielt ich keine Antwort, die Mutter zuckte mit den Schultern, als wolle sie sagen: Es ist beschlossen, egal, ob der Mann dir gefällt oder nicht. Ich hatte auch keine Wahl damals, warum sollte es für dich anders sein? Du bist dran.
    Langsam, sehr langsam begann ich zu begreifen, dass es nun keine Gründe und keine Argumente mehr gab, einen Bräutigam abzulehnen. Ich war diesem Mann versprochen. Einem Fremden, von dem ich nichts wusste, außer dass er mich irgendwann in ein fremdes Land mitnehmen würde.
    Wenn mir der Vater wenigstens einen ausgesucht hätte, den ich kannte. Einen aus der Familie, einen Cousin, warum nicht? Ich war bisher keinem Jungen wirklich näher gekommen. Das heißt nicht, dass ich nicht verliebt gewesen wäre. Zumindest eingebildet hatte ich mir das. In Wirklichkeit wusste ich natürlich gar nicht, was »verliebt sein« heißt. Zwölf war ich, als ich manchmal mit meinen Geschwistern und den Cousins und Cousinen heimlich loszog vor die Stadt, um auf dem staubigen Gelände der antiken römischen Ruinen zu spielen. Damals gab es noch keine Zäune und keine Wächter. Wir sind auf den Stufen des Amphitheaters umhergehüpft, immer zu zweit, und haben dann zwischen Kakteen, Ginsterbüschen und irgendwelchem verrosteten Schrott, den die Leute dort abluden, Verstecken gespielt: Mein zwei Jahre älterer Cousin Ahmed immer dicht auf meinen Fersen, wir ducken uns hinter Mauerreste und Disteln, und einmal quetschen wir uns sogar in ein öliges Blechfass. Als ich spüre, wie seine Haut an meiner Haut klebt, wird mir warm. Ich weiß genau, dass das nicht von der Sonne kommt. Abends meine ich seine Haut immer noch zu spüren, kühl und glatt und schön. Und dann fällt mir ein, dass wir beide schon als kleine Kinder Braut und Bräutigam gespielt haben.
    Verliebt sein, dachte ich damals, sei etwas zwischen mir und meinen Gefühlen. Ich hatte keinen Einfluss darauf, genauso wenig wie darauf, dass mir Schokolade besser schmeckte als Brot. Ich liebte Schokolade. Natürlich war es der Traum aller Mädchen, sich in einen Mann zu verlieben, aber heiraten, das war etwas ganz anderes. Verliebt sein, ich wusste es eigentlich, ist ein dummer Traum, ebenso wie der vom reichen Märchenprinzen, ganz und gar blödsinnig, und doch träumten wir Mädchen ihn.
    Mädchen werden von Vätern und Onkeln verheiratet, für manche wird der Handel schon bei der Geburt gemacht, Mädchen können ihren Mann nicht frei aussuchen. Wie auch, woran sollten sie sich orientieren, was sind die Kriterien für einen guten Mann? Das Kribbeln im Bauch? Wohl kaum, Mädchen wie ich haben nichts zu fühlen, sondern lassen über sich ergehen. Mädchen denken nicht, sondern gehorchen, Mädchen entscheiden nicht, sondern nehmen, was kommt. Mädchen tragen auch keine Verantwortung, sondern ertragen Einsamkeit, Mädchen planen nicht, sondern leben in den Tag hinein wie die Tiere.
    Ich hatte noch nie eine eigene Entscheidung getroffen, nicht einmal selbständig einkaufen war ich gewesen. Der Vater trug die Verantwortung, er sorgte für mich, und nun hatte er mir einen Mann besorgt. Ich hatte Angst. »Bitte, sag dem Vater, dass ich nicht möchte«, beschwor ich meine große Schwester, die sich die letzten Kuchenreste in den Mund schob. Fatma war als verheiratete Frau eine vollwertige Person und hatte mehr Rechte. Sie hätte beim Vater ein Wort für mich einlegen können, wenn sie gewollt hätte. Aber das wollte sie nicht, im Gegenteil. »Willst wohl alles besser wissen«, schimpfte sie. »Der Vater sucht dir einen tollen Mann aus, und was machst du? Anstatt ihm dankbar zu sein, beklagst du dich. Du spielst dich auf wie eine Prinzessin, keiner ist dir gut genug. Willst du dem Vater ewig auf der Tasche liegen?« – »Wenn ich nur nicht ins Ausland müsste.« Ich stand auf und ging in der Küche auf und ab, es schnürte mir die Kehle zusammen. Was kam da auf mich zu? Ich würde die Stadt und meine Familie verlassen müssen und womöglich nur noch selten zurück nach Hause kommen. Ich würde allein sein mit diesem Fremden, entsetzlich allein. »Sei doch froh«, sagte die Schwester, »dass du aus diesem Hundeleben fortkommst.« Fatma war

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