Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Loewenmutter

Loewenmutter

Titel: Loewenmutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esma Abdelhamid
Vom Netzwerk:
neidisch auf mich. So einen richtigen Kerl wie Abdullah, mit Auto und Goldkettchen, hätte sie auch gerne gehabt. Nicht den, den der Vater ihr ausgesucht hatte.
    »Du wirst dich an ihn gewöhnen. Heiraten muss jede von uns.« – »Vielleicht.« – »Ich musste auch. Und es geht mir nicht schlecht.« – »Ich weiß nicht, aber ich kenne diesen, wie heißt er eigentlich, doch gar nicht. Er ist ein Fremder.« – »Nein, nicht ganz fremd. Es ist Abdullah, der Bruder von meinem Chef Mahmoud. Mein Chef, dem du kürzlich im Büro begegnet bist.« – »Wie bitte, der Bruder?« – »Ja, weißt du nicht mehr? Mahmoud hatte doch von einem Job gesprochen, den er für dich hat. Wir wussten beide nicht, was er meinte.« Jetzt verschlug es mir tatsächlich die Sprache. Sollte ich lachen oder weinen? Das war’s also, hier war die Antwort auf seine rätselhafte Frage: »Willst du einen Job?«
    Der Mann, dem ich versprochen war, war mein Job! Unglaublich – was ist das für ein Spiel? Überhaupt nicht witzig fand ich das. Wie naiv war ich bloß gewesen, zu glauben, dass Mahmoud mir einen Arbeitsplatz beim Sozialamt verschaffen wollte? Einfach so, dachte ich. Aber nein: Abdullah ist mein Job. Wie eine stumme Dienerin saß meine Mutter da und hörte zu, sagte aber nichts mehr.

Mein neuer Job
    Am Spätnachmittag kam er wieder. Allein. Wie warm es noch war, vor dem Haus fielen die Ranken der Bougainvilleen wie Schleppen von der hohen, weißen Mauer, die den Garten gegen die Straße hin abgrenzte. Die Feigen waren reif, und von den Dattelpalmen hingen lange Früchtetrauben. Von weitem schon sah ich sein Auto die sandige Straße entlangkommen. Die ganzen Stunden vorher hatte ich nicht gewusst, was ich mit mir anfangen sollte. Nervös war ich, lief in einem fort raus in den Garten und wieder zurück ins Haus. Ich hängte Wäsche auf die Wäschespinne, putzte Gemüse, zog die Wäsche gerade, nahm sie wieder ab. Ohne dass es mir bewusst war, hatte ich auf ihn gewartet. Und als ich das rote Auto sah, wusste ich sofort, dass es seines war, so viele gab es damals nicht in unserer Straße. Ich bückte mich und sammelte hektisch ein paar Granatäpfel auf, die auf dem Gartenboden zerplatzt und blutrot aufgesprungen waren.
    Er fuhr nicht schnell, Staub wirbelte das Auto trotzdem auf. Als es vor dem Tor hielt, warf ich die Granatäpfel wieder unter den Baum und lief ins Haus. Schicksalsergeben. Durch die Windschutzscheibe hatte ich nur wenig von dem Mann erkennen können. Dunkelblauer Sakko, weißes Hemd, herausgeputzt. Vielleicht würde alles gar nicht so schlimm kommen, beruhigte ich mich, ich musste nur alles richtig machen. Ich lief in die Küche zur Mutter, die teilnahmslos am Herd saß. Seit Jahren war sie nicht aus dem Haus gegangen. Sie sei krank, hieß es, aber was für eine Krankheit das sein sollte, wusste keiner. Sie interessierte sich für nichts und niemanden und konnte sich nur wenig merken. Manchmal schloss sie sich stundenlang im Schlafzimmer ein, immer wieder schaffte sie es nicht einmal, das Mittagessen zu kochen. Wenn der Vater dann mittags aus seiner Polizeistation nach Hause kam, gab es meistens Streit und wüste Beschimpfungen.
    Jetzt nickte die Mutter nur, als ich sie fragte, ob ich ein frisches Kleid anziehen solle. Auch wenn ich nicht wusste, wer er war, gefallen wollte ich dem Bräutigam schon. »Das rote Kleid mit weiß- und lilafarbenem Blümchenaufdruck, kurze Volantärmel, ein Baumwollfähnchen?«, fragte ich. »Ja«, sagte die Mutter, da rief der Vater schon aus dem Wohnzimmer nach ihr. Was wollte er? Ihr Einverständnis zum zukünftigen Schwiegersohn? Nein. »Geh und hol Esma«, befahl er, so verlangte es die Sitte, so war die Hierarchie. »Geh, und widersprich deinem Vater nicht«, sagte die Mutter zu mir und setzte mit leerem Blick Teewasser auf.
    Ich schaute sie mit einer Mischung aus Trotz und Hilflosigkeit an. Warum sagt sie nichts? Wieso bereitet sie mich nicht auf das vor, was auf mich zukommen wird? Eine Mutter muss das doch wissen. Ist es so furchtbar, dass sie nicht darüber sprechen will? Oder bin ich ihr so egal, dass sie es nicht für nötig hält, mich aufzuklären? Lauter Fragen, die ich nicht stellte.
    Ich wollte nicht von ihr weggehen, trotzdem bewegte ich mich. Gerade, steif und langsam, auf meinen Herzschlag horchend. Als ich die Tür zum Wohnzimmer hinter mir zuzog, zitterte ich. Ich war wie unter einer Glasglocke, die Geräusche um mich herum verschwammen zu einem unverständlichen

Weitere Kostenlose Bücher