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Loewenstern

Loewenstern

Titel: Loewenstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adolf Muschg
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Als
Milch
werde die Samenflüssigkeit der Fische bezeichnet; er müsse sich wundern, daß einem Seemann der Ausdruck nicht geläufig sei. Der Admiral müsse wohl wieder einmal fischen! Aber auch Kotzebue wollte von Samenmilch an seiner Tafel nichts wissen, worauf ihn Schiferli unerbittlich aufklärte, eigentlich sei sie das Beste am Fisch, und die
grande cuisine
verwende sie als Zutat zur Sauce; diese dürfe natürlich keine «Tunke» sein. Kitty, rot und blaß, mußte sich ferner anhören: auch die deutsche Sprache, die «Milch» weiblich, den «Rogen», das weibliche Ei, männlich behandle, verrate etwas über die versteckte Einheit der Geschlechter, deren Trennung durchaus nicht gottgegeben, sondern ein Kunstgriff der Natur sei, die für die Fortpflanzung immer günstige Varietät zu erzeugen. Sie sei ein primäres Indiz dafür, daß das Individuum fremdgehen müsse, um etwas Interessantes hervorzubringen.
    Die natürliche Begründung lockerer Lebensart stieß auf Befremden, doch eine gewisse Taktlosigkeit war einem wissenschaftlichen Geist, dem auch Samenmilch rein ist, wohl nachzusehen. Doch als er anfing, die Beliebigkeit der Befruchtung, die beim Ausstreuen der Milch über dem Rogen obwalte, ebenfalls als natürlich zu schildern, fand der Zar angebracht, ihn an die Heiligkeit der Ehe zu erinnern und als ihr Muster die Verbindung Gottes mit derKirche, der Kirche mit ihren Gläubigen zu preisen. Darum sei der Abfall vom wahren Glauben als Ehebruch zu betrachten, wie auch der Ehebruch als Judastat. Darauf getraute man sich nicht mehr zu erwidern, zumal man wissen konnte, daß diese Überzeugung des Zaren, in schlaflosen Nächten erkämpft, ein Werk der Selbstüberwindung war.
    An dieser Stelle gab sich auch Krusenstern als Mann zu erkennen, der habe umlernen müssen. Vor zwanzig Jahren hätten ihn die Karlsbader Beschlüsse, die Ausrufung der Zensur statt derjenigen der Menschenrechte, noch «auf die Palme gebracht» – die Referenz an seine Südsee sah man dem Seehelden lächelnd nach; aber seit jeder gutgläubige Narr – gerade die gutgläubigsten! – sich gegen Biedermänner, nur weil sie seine Illusionen nicht teilten, zum Tyrannenmord berechtigt fühle, habe er diesen Befreiungsmärtyrern Valet gesagt. Die Brutusse hätten sich heute selbst zuzuschreiben, wenn ein Weltbürger gegen sie die Partei der Cäsaren nehmen müsse, bei denen die Humanität am Ende doch besser aufgehoben sei.
    Es war eine eher verklausulierte Huldigung an den anwesenden Cäsar, aber nun setzte dieser höchstselbst noch einen drauf.
    Wollen Sie glauben, Krusenstern, daß ich meine Brust lieber dem Dolch preisgäbe als das Blut meiner Untertanen zu vergießen? Daß niemand gegen blinde Autorität mehr einzuwenden hat als ich, denn kostet sie mich nicht jeden Tag mein Glück, meine Ruhe, ja mein Leben? Ebendarum muß sie ja in Gott begründet sein – statt in einer von Menschen gemachten Verfassung, die nicht gegen die Sünde zu kämpfen wagt, sondern nur die Lizenz dazu reguliert! Das Evangelium stiftet das einzige Menschenrecht, das uns niemand nehmen kann als wir selbst; und einen andern Grund dafür kann niemand legen als den, der gelegt ist, in Christo! Um Vergebung, liebste Kitty – er wandte sich, jetzt auf Deutsch, wieder geradezu an seine Nachbarin –, ich schwärme nicht, ich eifere nicht. Ich bin nicht mehr und nicht weniger als ein Realist, der lernen mußte, mit irdischem Wasser zu kochen, und erleben muß, daß dafür nur Feuer vom Himmel heiß genug ist!
    In einem eigenen Anfall von Feuer drückte er die Hand der Hausfrau und ließ dann die seine, die mächtigste der Welt, sanft darauf ruhen. – Ich denke an Ihr Kindchen, Kitty. Es soll nicht die Sünden seiner Väter erben, sondern die Tugenden seiner Mütter. Aber zuweilen geschieht es wohl, daß auch ein kühner Mann unser Herz erhebt. Wie viele herrliche Stunden verdanke ich nicht Ihrem verewigten Schwiegervater, dem unsterblichen August Kotzebue und seinem Theater! Mein
Agent
war er nie, wie sein Mörder unterstellte – doch er war
mein Mann
, in höherem Sinn, und ich schwöre: ich will seinen Tod heimsuchen an denen, die ihn auf dem Gewissen haben! Was ist die Heilige Allianz, wenn sie die Heiligkeit eines Menschenlebens nicht mehr schützen kann! Der Geist August von Kotzebues begleitet mich nach Troppau, ich fordere Rechenschaft für sein Leben, vor allen Fürsten dieser Welt!
    Ach, Majestät, Sie sind doch selbst der Größte, sagte

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