Loge der Lust
er ihre beschmutzten Beine und Ballerinas sah, rümpfte er die Nase. „Es regnet.“
„In London schien die Sonne“, entgegnete sie kühl.
Er inhalierte den Rauch tief in seine Lungen und stieß ihn kraftvoll wieder aus. „Bei uns weht ein anderer Wind.“
Langsam wurde Teena wütend. Was bildete sich dieser Poth überhaupt ein? Scharf sagte sie: „Das habe ich bereits gemerkt. Es ist deutlich frostiger in Gardenrye.“
Er murrte, schwieg jedoch und begann, sein Feuerzeug unentwegt an- und auszumachen. Es war augenscheinlich ein Werbegeschenk der hiesigen Apotheke, denn der Name „Pharmacy Gardenrye“ stand in gelben Blockbuchstaben darauf.
Hallow lachte. „Lewis Poth, bärbeißig wie immer, doch er hat einen weichen Kern, glauben Sie mir.“
Skeptisch runzelte sie die Stirn.
Hallow deutete auf die offen stehende Tür in Richtung Anmeldung. „Und dann ist da noch unser guter Geist, Monica Stew. Sie haben sie ja schon kennengelernt.“
Guter Geist? Dass ich nicht lache, feixte Teena bei sich und vermutete, dass sich die Empfangsdame nur mit Männern gut verstand. Solche Frauen gab es. Nur warum musste Teena unbedingt einem solchen Exemplar begegnen? Zum Glück schien wenigstens Matthew Hallow ein netter Mensch zu sein. Sie vermutete, dass er wenige Jahre jünger war als Poth. Sein ergrauter Backenbart ließ ihn älter erscheinen, während das Haupthaar noch dunkelblond und füllig war, doch seine Augen strahlten in einem satten Eisblau.
„Übrigens duzen wir uns hier alle“, fügte er hinzu und schaute auf seine Armbanduhr. „Also, ab jetzt bin ich Matthew für dich.“
Teena blickte Poth herausfordernd an, doch dieser paffte stumm weiter. Offenbar hatte er nicht vor, ihr ebenfalls das „Du“ anzubieten.
Dann sprach Hallow weiter: „Ein kleines Team muss zusammenhalten. Du wirst deinen Platz darin finden müssen, sonst wird es nicht funktionieren.“
Sollte das eine Anspielung auf die schlechten Schwingungen zwischen ihr und Lewis sein, oder hatte er mitbekommen, dass sie sich auch mit Monica nicht verstand? Sie begann sich zu fragen, ob der schlechte Anfang ihre Schuld war, immerhin hatte sie es sich bereits mit zwei neuen Kollegen verdorben.
„Ah, da ist er ja“, sagte Matthew und winkte einen jungen Mann herein, der seine braunen Haare aus der Stirn gegelt hatte. Er trug eine schwarze Hornbrille und ein grünes Hemd mit weißem Blumenmuster. Teena war hin- und hergerissen, ob sie seinen Retrolook interessant oder völlig daneben fand.
„Joshua, das ist unsere neue Kollegin Christeena.“ Wie ein Lotse, der auf dem Rollfeld stand und ein Flugzeug einwies, deutete Matthew dabei unentwegt mit beiden Händen auf sie. „Christeena mit zwei ‚e'.“
Sie biss die Zähne zusammen. Musste er darauf herumreiten? Während Lewis grinsend den Kopf schüttelte, hatte sie bei ihrem Chef das Gefühl, dass er die Schreibweise ihres Namens ohne Anspielung erwähnt hatte. Er blickte immer noch freundlich drein, und sein Lächeln wirkte aufmunternd und nicht gekünstelt.
Joshua nickte zur Begrüßung in ihre Richtung. Dann wandte er sich an Matthew. „Ich habe den Fall mit dem geklauten Fisch aufgenommen und Chris Sikes erst einmal nach Hause geschickt, bevor sich seine Frau Sorgen macht, wo er bleibt.“
„Gestohlener Fisch?“, entfuhr es Teena, bevor sie darüber nachdenken konnte. Sie kaute nervös auf ihrer Unterlippe herum. Ihr Magen krampfte sich zusammen. Diesmal war sie es gewesen, die spöttisch geklungen hatte. Der Sarkasmus der Menschen hier färbte bereits auf sie ab.
Joshua stemmte die Hände in die Hüften und baute sich vor ihr auf. „Findest du das lächerlich?“
„So war das nicht gemeint“, gab sie kleinlaut von sich.
„Sikes ist Fischer in der dritten Generation. Er fährt täglich mit seinem Kutter raus aufs Meer, egal bei welchem Wetter, um seine Familie zu ernähren. Fünf hungrige Mäuler warten zu Hause auf ihn.“ Er sagte das ruhig, aber energisch. „Wenn jemand seinen Fang stiehlt, haben seine Frau und seine Kinder nichts zu essen.“
Matthew faltete die Hände zusammen. „Christeena, überlege dir gut, ob du deine Karriere in Gardenrye beginnen möchtest. Es ist nicht so, dass wir es nur mit Fahrraddieben zu tun haben, aber hier werden keine Diamanten gestohlen, und der letzte Mord ist zwanzig Jahre her. Du wirst in die Grundschule gehen und den Kindern Fahrradunterricht geben müssen, ihnen die Verkehrsregeln erklären und ihre ersten Fahrversuche im
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