Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lohn der Angst

Lohn der Angst

Titel: Lohn der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Arnaud
Vom Netzwerk:
der Augen einzeichnen mußte, sondern hundert. Alles auswendig lernen, tief Atem holen, sich bekreuzigen, losfahren und zehn Sekunden später merken, daß man alles vergessen hat. Unmöglich, nochmals auszusteigen, jetzt nur weiter, bis ans andere Ende. Schlimm genug, wenn’s Bruch gab ... Wenn man Glück hatte, würde man sich drüben auf halber Höhe wiederfinden, die Räder bis zur Achse in dem lockeren Erdreich, ein verlorener Tag...
    »Bist du sicher, daß der Boden so schlecht ist?«
    »Versuch’s selbst. Wenn du mit beiden Füßen zugleich aufspringst, sinkst du ein.«
    Ein Schlag mit dem Absatz, der Schuh blieb hängen. Gérard mußte sich bemühen, ihn wieder herauszuziehen.
    »Aber vorhin war der Boden doch noch viel fester. Was ist denn los, in drei Teufels Namen?«
    Johnny befühlte den Abdruck, den Stürmers Schuh hinterlassen hatte, mit den Fingern. Dann hielt er seine Hand an die Nase und beroch sie.
    »Petroleum.«
    »Was?«
    »Riech mal.«
    Kein Irrtum möglich, das war der gemeine süßliche Geruch des Erdöls.
    Hier war nichts mehr zu sagen. Gott fluchen? Die beiden Männer schwiegen.
    Die Brise war frischer geworden. Stürmer begann zu frieren. Er entfernte sich einige Schritte weit und fuhr mechanisch fort, die Strecke geistig zu fotografieren. Dann kam er wieder zu Johnny zurück.
    »Eine von den Pipelines muß von unten angekratzt sein und ein Loch haben. Bei dem Druck in den Rohren – denk an die zwölf Pumpen – dauert es höchstens eine halbe Stunde, und der Trichter hat sich in einen Petroleumtank verwandelt. Also, los, wir fahren!«
    »Du bist verrückt«, antwortete der Rumäne, »vollständig verrückt, gefährlich verrückt. Du gehörst in ’ne Gummizelle, du...«
    »Bist du bald fertig?«
    »Nein, noch nicht, wenn du erlaubst. Bis jetzt hab ich dich machen lassen, weil du Mumm hast für zwei und weil ich vor Angst krank war. Aber jetzt ist Schluß. Ich mach nicht mehr mit. Du bist kein Held, du bist geisteskrank und obendrein ein Esel. Ich hab’s satt.«
    »Was soll das Gequatsche? Willst du vielleicht kneifen, weil die Ölleitung leck ist? Wer ist denn der Esel? Du rauchst gerade über dem Petroleum, das hier aus der Leitung schießt. Du bist wohl nicht ganz bei Trost?«
    »Ich hab nicht vor dem Petroleum Angst, sondern vor dem Zeichen.«
    »Was?«
    »Vor dem Zeichen.«
    Dies Wort schien ihm alles zu erklären. Es war nicht möglich, etwas anderes aus ihm herauszubringen. Das Zeichen...
    »Komm jetzt, wir werden nicht die ganze Nacht hier stehenbleiben. Sie ist ohnehin gleich um ... Du wirst mich dirigieren. Also los!«
    Der Rumäne blickte Gérard voll an. Sein Gesicht war entspannt, es war ernst, wenigstens soweit man das sehen konnte; er stand mit dem Rücken gegen die Scheinwerfer, deren Lichtkegel über den Trichter hinweggingen.
    »Hör zu, Gérard. Bis zu dieser verfluchten Nacht sind wir gute Kameraden gewesen. Bis hierher haben wir beide zusammen manches Ding gedreht. Das ist jetzt aus.«
    »Komm schon zur Sache«, sagte Stürmer.
    »Ich werde jetzt noch einmal mit dir weiterfahren. Rein in das Loch. Die Auspuffgase werden das Petroleum entzünden, und wir werden verbrennen oder in die Luft fliegen. Das ist sonnenklar. Und wenn wir zufällig doch hier durchkommen, dann fliegen wir etwas später in die Luft. Ich bleibe bei dir, weil du mein Freund warst und auch weil ich dich fürchte: du stehst mit dieser ganzen Sauerei auf zu gutem Fuß, du bist wie der Teufel selbst. Ich werde entweder verrückt, oder ich sterbe vor Angst. Aber ich sag dir’s, Stürmer: das Zeichen ist uns gegeben worden, und ich habe dich gewarnt. Auch für dich kann das nicht gut enden...«
    »Wenn ich eine Kartenlegerin brauche, laß ich dich kommen. Inzwischen ... auf die Plätze!«
    Der Truck stand da mit gesammelter Kraft, bereit, seine verfluchte Ladung weiterzuziehen. Stürmer schaute noch einmal geradeaus, auf die andere Seite, zur offenen Strecke. Er tat einen tiefen Atemzug, trank von der Nachtluft, was er trinken konnte, und ließ den linken Fuß los. Die Vorderräder durchschnitten die Erdschollen am Rande des Abhangs, schoben die Erde vor sich zu einem Wulst zusammen, über den sie im nächsten Augenblick hinwegrollten; und der K.B. begann wie ein widerspenstiges Maultier, das sich mit seinen vier Füßen gegen die Erde stemmt, den Abstieg in das Loch. Der gedrosselte Motor hielt ihn zurück. Keine Rede mehr, von hier bis zur anderen Seite an der Kupplung zu rühren. Und so wenig wie

Weitere Kostenlose Bücher