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Lohn der Angst

Lohn der Angst

Titel: Lohn der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Arnaud
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schwerfälligen Bewegungen.
    Sie müssen dem Truck einen Weg bahnen, ihm eine Rampe bauen, auf der er in den Trichter hinunterfahren kann, auf der er dort unten einen Halt findet, damit die Vorderräder an der andern Seite wieder die Erde greifen.
    Es gibt nicht sechsunddreißig Lösungen, es gibt nicht einmal zwei. Natürlich ist der Wagen an der unglücklichsten Stelle explodiert. Die Straße liegt hier auf einer Länge von einem Kilometer um einen guten Meter höher als das übrige Gelände und wird auf jeder Seite von einer Pipeline begrenzt, die, auf diese Weise geschützt, nicht gesprengt worden ist.
    Wäre sie’s doch! Diese langen schwarzen Eisenschlangen sind für das Fahrzeug ein unüberwindliches Hindernis.
    Die Planierungsarbeit – sie war fast eine Erholung – geht zu Ende. Sie machen die Werkzeuge wieder am Trittbrett fest, längs der Türen. Die Nacht ist dunkel wie zuvor, obwohl es schon bald vier Uhr ist: die Sonne geht hier das ganze Jahr hindurch um sechs Uhr auf. Es wird mit einem Schlag Tag sein, ohne Dämmerung. Aber es ist schon fühlbar frisch geworden. Im Augenblick ist das den beiden Männern recht; in zwei Stunden werden sie frieren. In zwei Stunden...
     
     
    » Los , packen wir’s«, sagt Gérard und schwingt sich auf den Führersitz. »Wir müssen eine Stunde vor Sonnenaufgang auf der anderen Seite sein.«
    »Wenn alles normal geht, brauchen wir zehn Minuten.«
    »Normal! Normal! Weißt du immer noch nicht, daß es das gar nicht gibt?«
    Er drückt auf den Starter. Der Motor schnarcht pfeifend. Bei der frischen Luft arbeitet der Vergaser besser. Johnny geht einige Schritte voraus, dann macht er kehrt, das Gesicht seinem Kameraden zugewandt. Mit einfachen Bewegungen dirigiert er ihn. Stürmers Hände und Füße reagieren, bevor ihm noch zum Bewußtsein kommt, daß er die Zeichen verstanden hat. Manchmal hebt der Rumäne die rechte Hand, um ihn abzustoppen, beide Hände, wenn es dringend ist; er blickt sich nach dem Weg um, den sie noch vor sich haben: er will sicher sein, daß die Richtung stimmt. Dann wendet er sich wieder Gérard zu. Es sieht so aus, als stoße er mit seiner linken Hand den Raum zurück, als verweise er die Nachtluft an einen anderen Platz: nach links einschlagen. Dann eine Bewegung wie eine Wäscherin, die ein Leintuch aus dem Wasser zu sich heranzieht: vorwärts jetzt, der Wagen kann kommen, alles ist klar.
    Der Truck gehorcht Stürmers erfahrenen Händen. Das Gelände ist trotz der Planierungsarbeiten chaotisch. Aber Gérards Art zu fahren ist so geschmeidig, daß das Chassis sich zu winden, sich zwischen den Löchern hindurchzuschlängeln scheint; und wenn die Federn auch manchmal knarren, kein Stoß des Wagens läßt zwischen Stürmers Brauen die Falte sichtbar werden, die hier in Gefahrenmomenten erscheint. – Stopp! Die Vorderräder haben den Rand des Trichters erreicht, wo die frisch aufgeschüttete Rampe beginnt.
    »Steig jetzt aus, Gérard, und sieh dir das selbst an.«
    Johnnys Direktiven sind wertvoll. Aber hier genügt das nicht. Gérard muß sich den Weg jetzt selbst einprägen, sozusagen jede Schwierigkeit auswendig lernen. Von jeder Erdscholle, von jeder Unebenheit, von jedem Stein, der aus dem Boden ragt, muß er Platz und genaue Form kennen. Johnny kann ihm nur noch als Gedächtnisstütze dienen. Nicht nur Gérards Gehirn, auch seine Hände am Steuer, sein Fuß auf Gas und Bremse, der auf der Kupplung, jedes Glied, jede Zelle seines Körpers müssen wissen, was auf sie wartet. In wenigen Augenblicken wird es zu spät sein, die Intelligenz zu befragen: alles wird Instinkt und Reflex sein müssen.
    Zentimeter für Zentimeter prägte sich Gérard den Weg ein. Zuweilen bückte er sich und betastete den Boden mit den Händen. Es fehlte nur noch, daß er die Erde beroch und sie schmeckte. Nach einer Weile richtete er sich auf und murmelte vor sich hin:
    »Ich seh schon...«
    »Du hast doch noch nicht den ganzen Weg untersucht«, bemerkte Johnny.
    »Was willst du damit sagen?«
    »Du darfst hier nicht einfach runterfahren und dann wieder aussteigen.«
    »Warum nicht?«
    »Der Boden ist nicht fest genug, er bröckelt, er ist zu weich. Wenn du unten anhältst, kommst du nicht weiter.«
    »Du meinst, ich sacke ab?«
    »Allerdings.«
    »Verflucht noch mal! Bleibt uns denn keine einzige Sauerei erspart?«
    Natürlich war es viel schwieriger, den Trichter in einem Zug zu durchfahren. Das waren nicht mehr dreißig Meter, die man sich im voraus in die Netzhaut

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