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Lolita (German)

Lolita (German)

Titel: Lolita (German) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Nabokov
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ich mit der gestochenen Klarheit einer künftigen Erinnerung (Sie wissen schon - wenn man versucht, die Dinge so zu sehen, wie man sich erinnern wird, sie gesehen zu haben) die glänzende Weiße ihres nassen, trotz aller Bemühungen so wenig gebräunten Gesichts betrachtete und ihre blassen Lippen, ihre nackte, vorgewölbte Stirn und die enge schwarze Kappe und den dicklichen nassen f Hals, da wußte ich, daß ich nichts weiter tun mußte, als etwas zurückzubleiben, tief Luft zu holen, sie dann an den Fußknöcheln zu packen und rasch mit meiner gefangenen Leiche zu tauchen. Ich sage Leiche, weil > Überraschung, Schreck und Mangel an Erfahrung sie dazu brächten, sofort ein tödliches Quantum See zu schlucken, während ich imstande wäre, es mindestens eine volle Minute lang mit offenen Augen unter Wasser ' auszuhalten. Die verhängnisvolle Geste zog durch die Nachtschwärze meiner verbrecherischen Gedanken wie der Schweif einer Sternschnuppe. Es war wie ein grausiges stummes Ballett: Der männliche Partner hält die Ballerina am Fuß und bewegt sich mit ihr pfeilgleich durch das wässerige Zwielicht. Vielleicht könnte ich auch auftauchen, um einen Mundvoll Luft zu schöpfen, während ich sie unter Wasser hielt, und dann, so oft es nötig wäre, wieder auftauchen, und erst, wenn der Vorhang für immer über ihr gefallen wäre, würde ich mir erlauben, gellend nach Hilfe zu rufen. Und wenn nach etwa zwanzig Minuten die beiden Marionetten, stetig größer werdend, in einem Ruderboot ankämen, dessen eine Seite frisch gestrichen war, dann stünde die arme Mrs. Humbert Humbert, einem Krampf oder einem Herzanfall oder beidem zugleich zum Opfer gefallen, auf dem Kopf im tintigen Schlamm, zehn Meter unter der lächelnden Oberfläche des Hourglass-Sees.
    Ganz einfach, nicht? Aber was soll ich euch sagen, Leute - ich konnte es einfach nicht über mich bringen!
    Sie schwamm neben mir, eine vertrauensvolle, tolpatschige Robbe, und die ganze Logik der Leidenschaft schrie mir ins Ohr: Jetzt ist der Augenblick! Und, Leute, ich konnte es einfach nicht! Schweigend wandte ich mich Strand wärts, und gravitätisch und pflichtgetreu machte auch sie kehrt, und immer noch schrie mir die Hölle ihren Rat zu, und immer noch konnte ich es nicht über mich bringen, das arme, glitschige, großlei-bige Geschöpf zu ertränken. Der Schrei wurde schwächer und schwächer, während ich mir der tieftraurigen Tatsache bewußt wurde, daß ich es weder morgen noch am Freitag, noch an irgendeinem anderen Tag oder in einer anderen Nacht über mich bringen könnte, sie umzubringen. Oh, ich konnte mir vorstellen, wie ich Valerias Brüste krumm und schief schlüge oder sie sonstwie verletzte - und ich konnte ebenso deutlich sehen, wie ich ihrem Liebhaber in den Unterleib schösse, daß er «Akrrch» sagte und sich hinsetzte. Aber Charlotte konnte ich nicht töten - zumal da die Lage im großen ganzen vielleicht doch nicht ganz so hoffnungslos war, wie sie an diesem elenden Vormittag im ersten Augenschreck ausgesehen hatte. Packte ich sie bei ihrem kräftigen, strampelnden Fuß; sähe ich ihren ungläubigen Blick, hörte ich ihre schreckliche Stimme; brächte ich die ganze Tortur doch noch hinter mich, so würde mich ihr Gespenst mein Leben lang verfolgen. Wenn wir im Jahre 1447 und nicht im Jahre 1947 gelebt hätten, dann vielleicht hätte ich meine sanfte Natur hinters Licht geführt und ihr aus dem hohlen Achat des Fingerrings eines der klassischen Gifte verabfolgen können, einen sanften Todestrank. Aber in unserer bourgeoisen Ära, wo alle ihre Nasen in fremde Angelegenheiten stecken,  ginge es nicht so gut aus wie damals in den mit Brokat ausgeschlagenen Palästen der Vergangenheit. Heutzutage muß man Wissenschaftler sein, wenn man ein Mörder sein will. Nein, nein, ich war keines von beiden. Meine Damen und Herren Geschworene, die Mehrzahl der Sexualverbrecher, die sich nach einer zuckenden, süß stöhnenden, körperlichen, doch nicht unbedingt coitalen Beziehung zu einem kleinen Mädchen sehnen, sind harmlose, zu nichts taugende, passive, schüchterne Fremdlinge, die die Gesellschaft nur um eines bitten, nämlich zuzulassen, daß sie ihrem - im allgemeinen völlig unschuldigen - sogenannten abweichenden Verhalten, ihren heißen, feuchten, privaten kleinen Akten sexueller Devianz nachgehen dürfen, ohne daß Polizei und Gesellschaft über sie herfallen. Wir sind keine Sexteufel! Wir vergewaltigen nicht, wie wackere Soldaten es tun. Wir sind

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