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Lolita (German)

Lolita (German)

Titel: Lolita (German) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Nabokov
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überquerte und höchst befriedigt ihren Brief an Miss Phalens Schwester in den Kasten warf.
    Die Woche der Schauer und Schatten nach unserem letzten Besuch am unbewegten Strand des Hourglass-Sees war eine der trübseligsten meines Lebens. Dann blitzten zwei oder drei blasse Hoffnungsstrahlen auf -vor dem endgültigen Sonnendurchbruch.
    Mir fiel ein, daß ich ein ordentliches und durchaus funktionstüchtiges Gehirn besaß und daß ich es ruhig benutzen könnte. Wenn ich schon nicht wagte, meiner Frau in die Pläne dreinzureden, die sie für ihre Tochter schmiedete (welche im Schönwetter hoffnungsloser Entfernung mit jedem Tag wärmer und bräuner wurde), mußte es mir doch gelingen, irgendeinen allgemeinen Weg zu finden, um mich auf eine allgemeine Weise durchzusetzen, die sich später auf das Besondere richten ließe. Eines Abends lieferte mir Charlotte selber einen Eröffnungszug.
    «Ich habe eine Überraschung für dich», sagte sie und sah mich über einen Löffel Suppe hinweg innig an. «Im Herbst fahren wir zwei beide nach England.»
    Ich schluckte meinen Löffelvoll hinunter, wischte mir den Mund mit rosa Papier (o kühles, schweres Leinen im Mirana-Hotel!) und sagte:
    «Ich habe auch eine Überraschung für dich, meine Liebe. Wir beide fahren nicht nach England.»
    «Was denn, was ist denn los?» sagte sie und blickte-mit größerer Überraschung, als ich erwartet hatte - auf meine Hände (unwillkürlich faltete, zerriß, zerknüllte ich die unschuldige rosa Serviette und zerriß sie aufs neue). Mein lächelndes Gesicht beruhigte sich jedoch etwas.
    «Die Sache ist ganz einfach», antwortete ich, «Sogar in den harmonischsten Ehen, wie zum Beispiel der unseren, werden nicht alle Entscheidungen vom weiblichen Partner getroffen. Es gibt gewisse Dinge, für die der Mann zuständig ist. Ich kann mir sehr wohl den Glücksschauer vorstellen, den es dir, einer stinknormalen Amerikanerin, bereiten würde, den Atlantik an Bord eines Ozeanriesen zu überqueren, auf dem auch Lady Bumble oder Sam Bumble, der Gefrierfleischkönig, oder eine Hollywood-Schiunze reisen. Und ich zweifle nicht daran, daß wir beide, du und ich, uns gut auf einem Werbephoto der Reiseagentur ausnehmen würden - du mit unverhohlen leuchtenden Augen, ich, der ich meine neidvolle Bewunderung beim Anblick der Palastwache oder der Scharlachgarde oder der Biberesser oder wie sie verdammtnochmal heißen, nicht merken lasse. Aber ich bin nun einmal allergisch gegen Europa, merry old England einbegriffen. Wie du wohl weißt, hat die Alte und wurmstichige Welt für mich nur sehr traurige Assoziationen. Daran ändern auch die schönsten Farbphotos in deinen Illustrierten nichts.»
    «Mein Schatz», sagte Charlotte, «wirklich, ich ...»
    «Halt, noch einen Augenblick. Die Sache heute ist nur eine Bagatelle. Worauf es mir ankommt, ist der allgemeine Trend. Als du von mir wünschtest, daß ich meine Nachmittage mit Sonnenbaden am See zubringe, statt meine Arbeit zu machen, da habe ich mich gern gefügt und wurde dir zu Gefallen ein blendender bronzener Beau, statt ein Literaturwissenschaftler und, nun ja, ein Pädagoge zu bleiben. Wenn du mich zu Bridge und Bourbon bei den reizenden Farlows mitnimmst, folge ich gehorsam. Nein, warte bitte. Wenn du dein Heim schmückst, komme ich dir nicht ins Gehege. Wenn du beschließt - wenn du alles mögliche beschließt, bin ich vielleicht ganz oder teilweise sagen wir uneins mit dir, aber ich sage kein Wort. Ich sehe über das Einzelne hinweg. Über das Allgemeine kann ich nicht hinwegsehen. Ich liebe es, mich von dir herumkommandieren zu lassen, aber jedes Spiel hat seine Regeln. Ich bin nicht böse. Ich bin überhaupt nicht böse. Hör auf damit. Aber ich bin die andere Hälfte in diesem Haushalt und habe eine kleine, aber deutliche Stimme abzugeben.»
    Sie war zu mir gekommen und in die Knie gesunken und schüttelte langsam, aber sehr heftig den Kopf und zupfte an meiner Hose. Sie sagte, sie habe ja keine Ahnung gehabt. Sie sagte, ich sei ihr Gebieter und ihr Gott. Sie sagte, Louise sei weg, und wir sollten uns lieben, gleich, sofort. Sie sagte, ich müsse ihr verzeihen, sonst werde sie sterben.
    Dies kleine Vorkommnis erfüllte mich mit beträchtlichem Hochgefühl. Ich sagte ihr ruhig, daß es nicht darum gehe, um Verzeihung zu bitten, sondern darum, sich künftig anders zu verhalten; und ich faßte den Entschluß, meinen Vorteil auszunutzen und eine Menge Zeit zurückgezogen und mürrisch bei der Arbeit an meinem

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