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Lolita (German)

Lolita (German)

Titel: Lolita (German) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Nabokov
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Eigenschaften unterstrichen, zehn von vierzig: aggressiv, dickköpfig, kritisch, laut, mißtrauisch, negativistisch (doppelt unterstrichen), reizbar, träge, ungeduldig, wißbegierig. Die übrigen dreißig hatte sie übergangen, dar-unter: fröhlich, hilfsbereit, tatkräftig und so weiter. Es war wirklich empörend. Mit einer Brutalität, die in dem sanften Charakter meines liebenden Weibes sonst nie zum Vorschein kam, attackierte und beseitigte sie Los kleine Besitztümer, die sich in verschiedene Teile des Hauses verirrt hatten und dort wie hypnotisierte Kaninchen erstarrt waren. Die gute Frau konnte nicht ahnen, daß ich sie eines Morgens, als ein verdorbener Magen (das Ergebnis meines Versuchs, ihre Sauce zu verbessern) mich gehindert hatte, sie zur Kirche zu begleiten, mit einem von Lolitas Söckchen betrog. Und dann ihre Einstellung zu den Briefen meines herrlichen Lieblings!
    Liebe Mummy, lieber Hummy,
    hoffe Euch geht's gut. Vielen Dank für das Konfekt. Ich [ausgestrichen und wieder hingeschrieben] Ich habe meinen neuen Pullover im Wald verloren. Die letzten paar Tage war es sehr kalt. Finde es hier ganz.
    Gruß Dolly

    «Das dumme Kind», sagte Mrs. Humbert, «hat ein Wort nach ausgelassen. Der Pullover war aus reiner Wolle, und ich möchte dich doch bitten, ihr keine Süßigkeiten zu schicken, ohne mich vorher zu fragen.»

20
    Ein paar Meilen von Ramsdale entfernt lag ein Waldsee (der Hourglass-See - wie er sich in Wahrheit buchstabierte), und während einer sehr heißen Woche Ende Juli fuhren wir Tag für Tag hin. Es obliegt mir jetzt, unser letztes gemeinsames Bad dort, das an einem tropischen Dienstagvormittag stattfand, in allen öden Einzelheiten zu beschreiben.
    Wir hatten unseren Wagen nicht weit von der Straße auf einem Parkplatz gelassen und gingen zu Fuß einen Pfad hinunter, der durch den Fichtenwald zum See führte, als Charlotte erzählte, am vergangenen Sonntag habe Jean Farlow auf der Suche nach besonderen Lichteffekten (sie gehörte noch zur alten Malschule) um fünf Uhr morgens Leslie «Splitterebenhölzern» (wie John witzelte) in die Fluten tauchen sehen.
    «Das Wasser muß schön kalt gewesen sein», sagte ich.
    «Das ist nicht das Entscheidende», sagte die logische, aber verdammte Teure, «verstehst du, er ist schwachsinnig. Und», fuhr sie fort (in ihrer sorgfältig artikulierten Sprechweise, die anfing, meine Gesundheit anzugreifen), «ich habe das deutliche Gefühl, daß unsere Louise in diesen Kretin verliebt ist.»
    Gefühl! «Wir haben das Gefühl, daß Dolly nicht so viel leistet», und so weiter (aus einem alten Schulzeugnis).
    Die Humberts, in Sandalen und Bademänteln, gingen weiter.
    «Weißt du, Hum? Ich habe einen äußerst ehrgeizigen  Traum», verkündete Lady Hum und senkte den Kopf, als scheute sie vor diesem Traum zurück und suchte Rat beim braungelben Erdboden. «Ich würde brennend gern ein wirklich geschultes Dienstmädchen auftreiben, wie das deutsche Mädchen, von dem die Talbots sprachen, und sie ganz ins Haus nehmen. » «Kein Platz», entgegnete ich. «Na hör mal, chéri », sagte sie mit ihrem neckischen Lächeln, «du unterschätzt bestimmt die Möglichkeiten des Humbertschen Heims. Wir könnten sie in Los Zimmer unterbringen. Ich hatte sowieso vor, aus diesem Kabuff ein Gästezimmer zu machen. Es ist das kälteste und unfreundlichste im ganzen Haus.»
    «Wovon sprichst du eigentlich?» fragte ich, und die Haut über meinen Backenknochen spannte sich (ich notiere dies nur, weil die Haut meiner Tochter es ebenso machte, wenn diese Gefühle sie bewegten: Zweifel, Abscheu, Empörung).
    «Plagen dich romantische Erinnerungen?» fragte meine Gattin - auf ihre erste Hingabe anspielend.
    «Nein, zum Teufel», sagte ich. «Ich frage mich nur, wo du deine Tochter hinstecken willst, wenn du einen Gast oder ein Dienstmädchen hast. »
    «Ah», sagte Mrs. Humbert träumerisch, lächelnd, und dehnte mit dem Hochziehen einer Augenbraue und einem sanften Atemausstoßen das «Ah» in die Länge. «Es tut mir leid, aber die kleine Lo wird hier gar nicht, aber auch gar nicht auf der Bildfläche erscheinen. Die kleine Lo kommt vom Camp geradewegs in ein gutes Internat mit strenger Disziplin, wo sie ihr etwas gesunde Religion beibringen. Und dann - Beardsley-Col-lege. Ich hab mir alles überlegt, du brauchst dir keine Sorgen zu machen.»
    Des weiteren sagte sie, daß sie, Mrs. Humbert, ihre übliche Faulheit überwinden und an Miss Phalens Schwester schreiben

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