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Lolita (German)

Lolita (German)

Titel: Lolita (German) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Nabokov
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unglückliche, sanfte Gentlemen mit Hundeaugen, gut genug integriert, um unseren Drang in Gegenwart Erwachsener zu beherrschen, aber bereit, Jahre um Jahre unseres Lebens für eine einzige Chance hinzugeben, ein Nymphchen zu berühren. Ich betone, wir sind keine Mörder. Dichter töten nie. O meine arme Charlotte, blicke auf mich nicht mit Haß herab aus deinem ewigen Himmel inmitten einer ewigen Alchimie aus Asphalt und Gummi und Metall und Stein - aber gottseidank nicht Wasser, nicht Wasser!
    Objektiv gesprochen, ging es immerhin um Haaresbreite. Und jetzt kommt die Pointe meiner Parabel vom perfekten Verbrechen.
    Wir setzten uns auf unsere Badetücher in die durstige Sonne. Sie sah sich um, lockerte ihren Büstenhalter und drehte sich auf den Bauch, damit alle sich an ihrem Rücken gütlich tun konnten. Sie sagte, sie liebe mich, Sie seufzte tief. Sie streckte einen Arm aus und wühlte in der Tasche ihres Bademantels nach ihren Zigaretten. Sie setzte sich auf und rauchte. Sie sah prüfend ihre rechte Schulter an. Sie öffnete ihren rauchigen Mund und bedachte mich mit einem tiefgründigen Kuß. Plötzlich kam hinter uns von dem erhöhten Ufer, unter den Büschen und Fichten hervor, ein Stein gerollt und dann noch einer.
    «Diese gräßlichen neugierigen Gören», sagte Charlotte, raffte ihren großen Büstenhalter an die Brust und drehte sich wieder herum. «Ich muß mal mit Peter Kre-stovski darüber sprechen.»
    Oben, wo der Pfad einmündete, raschelte es, man hörte Schritte, und dann kam Jean Farlow mit Staffelei und Malsachen herunter.
    «Du hast uns einen schönen Schreck eingejagt», sagte Charlotte.
    Jean sagte, sie sei da oben gewesen, in einem grünen Versteck, und habe in der Natur herumspioniert (Spione werden im allgemeinen erschossen), um mit einem Landschaftsbild fertig zu werden, aber es tauge nichts, sie habe überhaupt kein Talent (was stimmte),.. «Und Sie, Humbert, haben Sie nie zu malen versucht?» Charlotte, die ein wenig eifersüchtig auf Jean war, wollte wissen, ob John nach Hause komme.
    Ja, er komme. Er werde heute zum Lunch zu Hause sein. Auf dem Wege nach Parkington habe er sie abgesetzt und müßte sie jeden Augenblick abholen. Es sei ein wunderschöner Morgen. Es komme ihr immer vor wie Verrat an Cavall und Melampus, wenn sie sie an so herrlichen Tagen an die Kette lege. Sie setzte sich zwischen Charlotte und mich in den weißen Sand. Sie trug Shorts. Ihre langen braunen Beine wirkten auf mich etwa so verführerisch wie die einer Fuchsstute. Wenn sie lächelte, entblößte sie ihr Zahnfleisch.
    «Ich war drauf und dran, euch beide in meinen See hineinzumalen», sagte sie. «Ich habe sogar etwas bemerkt, das euch entgangen ist. Sie [an Humbert gerichtet] hatten im Wasser Ihre Armbanduhr um, ja, mein Herr, hatten Sie.»
    «Wasserdicht», sagte Charlotte leise und machte einen Fischmund.
    Jean hob mein Handgelenk auf ihr Knie und untersuchte Charlottes Geschenk, dann legte sie Humberts Hand auf den Sand zurück, Innenfläche nach oben.
    «Von dort aus hättest du ja wer weiß was sehen können», bemerkte Charlotte kokett.
    Jean seufzte. «Einmal habe ich gesehen», sagte sie, «wie sich bei Sonnenuntergang genau hier zwei Kinder paarten, ein Junge und ein Mädchen. Ihre Schatten waren wie Riesen. Und von Mr. Tomson bei Tagesanbruch hab ich euch erzählt. Nächstens werde ich wohl unsern dicken alten Ivor sehen, splitterelfenbeinern. Er ist wirklich ein Kauz, dieser Alte. Neulich erzählte er mir eine absolut unanständige Geschichte über seinen Neffen. Der soll...»
    «Hallo, ihr drei», sagte Johns Stimme.

21
    Meine Gewohnheit zu schweigen, wenn mir etwas mißfällt, oder genauer gesagt die kalte, gemeine Beschaffenheit meines mißbilligenden Schweigens hatte Valeria immer um den Verstand gebracht. Sie pflegte zu winseln und zu jammern und sagte: « Ce qui me rendfolle, c'est que je ne sais ä quoi tu penses quand tu es comme ga.» Ich versuchte, Charlotte gegenüber zu schweigen - und sie zirpte einfach weiter oder faßte den Schweiger unters Kinn. Eine erstaunliche Frau! Ich konnte mich in mein früheres Zimmer zurückziehen - jetzt ein regelrechtes «Studio» - und brummen, daß ich schließlich ein wissenschaftliches Werk zu schreiben hätte, und die muntere Charlotte fuhr fort mit der Verschönerung des Heims, mit dem Gezwitscher am Telephon, mit dem Briefeschreiben. Von meinem Fenster aus konnte ich durch das Zittern des glänzenden Pappellaubs sehen, wie sie die Straße

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