Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lolita (German)

Lolita (German)

Titel: Lolita (German) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Nabokov
Vom Netzwerk:
stieß ihr dreimal, tödlich, ein Messer in den Rücken, indes der Oberst, eine kleine Bulldogge von Mann, den Arm des Mörders umklammert hielt. Durch ein wunderbares und schönes Zusammentreffen brachte just in dem Augenblick, als der Ausführende im Begriff war, sich aus den Klauen des erbosten kleinen Ehemannes zu befreien - mehrere Zuschauer sammelten sich bereits um die Gruppe -, ein spinnerter Italiener in dem dem Schauplatz am nächsten gelegenen Haus aus reinem Zufall einen Sprengstoff zur Explosion, an dem er her-umgewerkelt hatte, und im nämlichen Augenblick war die Straße in ein Pandämonium aus Rauch, fallenden Ziegeln und rennenden Menschen verwandelt. Die Explosion tat niemandem etwas zuleide (außer daß sie den wackeren Oberst Lacour bewußtlos machte), aber der rachsüchtige Liebhaber der Dame rannte mit den anderen - und lebte glücklich bis ans Ende seiner Tage.
    Und nun hören Sie, was geschieht, wenn der Ausführende selber eine perfekte Beseitigung vorhat.
    Ich ging zum Hourglass-See hinunter. Die Stelle, an der wir und ein paar andere «nette» Ehepaare (die Far-lows und die Chatfields) badeten, war eine Art kleine Bucht: Meine Charlotte liebte sie, weil sie beinah ein «Privatstrand» war. Die besten Badegelegenheiten (oder Ertrinkgelegenheiten, wie das Ramsdaler Journal fast Veranlassung gehabt hätte zu schreiben) lagen im linken (östlichen) Teil des Stundenglases und waren von unserer kleinen Bucht aus nicht zu sehen. Rechts von uns gingen die Fichten bald in eine Biegung Sumpfgelände über, das auf der gegenüberliegenden Seite wieder zu Wald wurde.
    Ich setzte mich so geräuschlos neben meine Frau, daß sie zusammenfuhr.
    «Wollen wir hinein?» fragte sie.
    «Gleich. Laß mich mal was zu Ende denken.»
    Ich dachte nach. Mehr als eine Minute verging.
    «Gut. Komm.»
    «Ging es um mich?»
    «Allerdings.»
    «Das will ich auch hoffen», sagte Charlotte und stieg ins Wasser. Es reichte bald bis an die Gänsehaut ihrer dicken Schenkel; und dann, die vorgestreckten Hände zusammengelegt, den Mund fest geschlossen, das Gesicht sehr gewöhnlich unter der schwarzen Gummikappe, warf sich Charlotte mit großem Platsch vornüber.
    Langsam schwammen wir auf den schimmernden See hinaus.
    Auf der anderen Seite, mindestens tausend Schritte entfernt (wenn man übers Wasser gehen könnte), erkannte ich die winzigen Gestalten von zwei Männern, die wie Biber an ihrem Uferstreifen arbeiteten. Ich wußte genau, wer sie waren: ein pensionierter Polizist polnischer Herkunft und der in den Ruhestand getretene Klempner, dem der größte Teil des Waldbestandes drüben gehörte. Und ich wußte auch, daß sie mit dem Bau eines kleinen Landungsstegs beschäftigt waren -nur aus trübem Spaß an der Sache. Das Pochen und Klopfen, das zu uns herüberhallte, war im Verhältnis zu den Armen und Werkzeugen, die in der Entfernung zwergenhaft wirkten, viel zu laut; ja, man hatte den technischen Leiter dieser akrosonischen Effekte im Verdacht, mit dem Puppenmeister uneins zu sein, zumal da das mächtige Krachen jedes winzigen Schlages hinter seiner sichtbaren Version zurückblieb.
    Der kurze weiße Sandstreifen «unseres Strandes» -von dem wir uns inzwischen etwas entfernt hatten, um ins Tiefe zu kommen -, war werktags morgens immer leer. Ringsumher gab es niemanden, außer den beiden winzigen, sehr beschäftigten Figuren auf der anderen Seite und einem dunkelroten Privatflugzeug, das über uns hinwegdröhnte und dann im Blau verschwand. Die Szenerie war also ideal für einen sportlichen, spritzigen Mord, und die feine Pointe war die: Der Mann des Gesetzes und der Mann des Wassers waren gerade nahe genug, um einen Unfall zu bezeugen, und gerade weit genug, um ein Verbrechen nicht beobachten zu können. Sie waren nah genug, um einen Schwimmer wahrzunehmen, der wie von Sinnen mit den Armen fuchtelte und jemanden herbeirief, der ihm behilflich wäre, seine ertrinkende Frau zu retten; und sie waren zu weit entfernt, um erkennen zu können (falls sie zufällig zu früh hinsehen sollten), daß der Schwimmer, alles andere als von Sinnen, seiner Frau unter Wasser gerade mit Fußtritten den Garaus machte. Ich war noch nicht so weit; ich will nur die Einfachheit der Sache, die einladende Klarheit der Szenerie beschreiben. Da also schwamm Charlotte, pflichtbewußt und unbeholfen (sie war eine sehr mittelmäßige Undine), doch nicht ohne ein gewisses feierliches Vergnügen (denn war nicht ihr Wassermann an ihrer Seite?); und als

Weitere Kostenlose Bücher