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London Boulevard - Kriminalroman

London Boulevard - Kriminalroman

Titel: London Boulevard - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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den Rose and Crown, setzte mich auf einen Hocker an der Bar und bestellte ein Bitter. Während ich es trank, drehte ich eine Zigarette. Ein Mann Mitte sechzig kam herein und setzte sich auf den Hocker neben mir. Ich hoffte, dass er nicht freundlich sein wollte. Ich machte ein »Quatsch mich bloß nicht an«-Gesicht. Er bestellte einen großen Navy Rum und sagte:
    »Kein Kiskadee-Mist.«
    Ich klinkte mich aus. Gab mich meiner postkoitalen Melancholie hin.
    Dann merkte ich, dass er mit mir sprach. Ich sagte:
    »Was?«
    »Wären Sie drauf gekommen, dass ich mich vor gerade mal zwei Monaten einer Angiographie unterziehen musste?«
    »Wie bitte?«
    »War eigentlich nur eine Routineuntersuchung, aber dabei wurde eine Arterie eingeklemmt, die nicht mal der Kardiologe kannte. Und als er eine andere durchspülen wollte ...«
    Ich sagte: »Halt’s Maul. Ich will’s nicht hören.«
    Er sah fix und fertig aus und sagte:
    »Wollen Sie was trinken?«
    »Ich will, dass Sie jemand anderen zu Tode langweilen.«
    »Wollte nur freundlich sein.«
    »Freundlich hab ich nicht im Programm.«
    Ich trank aus und ging. Als ich nach draußen trat, stand auf der anderen Straßenseite direkt gegenüber ein Mann und starrte mich an. Mitte dreißig, blond, abgetragener Anzug. Er sah aus, als wollte er etwas sagen, wandte sich aber ab und ging.
    Wäre der Verkehr nicht so dicht gewesen, wäre ich ihm vielleicht nachgegangen. Ich dachte: »Heute kommen sie alle aus ihren Löchern gekrochen.«
    Als ich nach Hause kam, klingelte das Telefon. Ich nahm ab.
    »Mitch?«
    »Ja?«
    »Hier ist Billy Norton, wo warst du? Ich versuch schon den ganzen Vormittag dich zu erreichen.«
    »Bei einem Vorstellungsgespräch.«
    »Was? Du hast doch schon einen Job.«
    »Geld verleihen? Das ist kein Job, das ist eine Krankheit.«
    Er holte tief Luft und sagte:
    »Wir fahren morgen los, wie ausgemacht.«
    »Ja.«
    »Mitch, das ist ganz leicht, kein Problem - du musst mir nur den Rücken frei halten.«
    »Leicht? Das höre ich zum ersten Mal, dass es leicht ist, jemandem Geld abzunehmen.«
    Er war ernsthaft angepisst, versuchte aber, ein bisschen Dampf rauszunehmen, und sagte:
    »Ich bring Red Bull mit.«
    »Was?«
    »Ist ein Energy Drink. Wenn du ein paar Amphetamine damit runterspülst, bist du auf hundertachtzig.«
    »Und brandgefährlich.«
    »Ich hol dich um zwölf ab, okay?«
    »Kann’s kaum erwarten.«
    Später bestellte ich eine Pizza und wartete auf die Lieferung. Ich las Seitenhieb von Charles Willeford und bedauerte zutiefst, dass es keine Fortsetzung dieser brillanten Serie gab. Im Gefängnis hatte ich ein, zwei Bücher täglich gelesen. Ich hatte vor, die Angewohnheit beizubehalten.
    Es klingelte an der Tür. Ich machte auf. Keine Pizza. Ein Mann, breite Schultern, kräftig, stahlgraues Haar, dunkler Anzug. Er fragte:
    »Mr. Mitchell?«
    »Ja.«
    Er zog einen Dienstausweis aus der Tasche und sagte:
    »Ich bin Detective Sergeant Kenny - kann ich kurz mit Ihnen sprechen?«
    »Okay.«
    Er folgte mir in die Wohnung, nahm das Zimmer ins Visier, sagte: »Schön haben Sie’s hier.«
    Ich nickte. Er setzte sich und sagte:
    »Wir bekommen mitgeteilt, wenn ehemalige Sträflinge in unseren Bezirk zurückkehren.«
    Falls er eine Antwort erwartete, mir fiel keine ein.
    Er zog ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche, rauchte, ohne mir eine anzubieten, und fuhr fort:
    »Ihren Namen hab ich wiedererkannt, aber hey, keine Adresse.«
    »Ich wurde ohne Auflagen entlassen, ich bin ein freier Mann.«
    »Natürlich sind Sie das. Deshalb habe ich bei Ihrem Freund Norton durchgeklingelt, und er war sehr hilfsbereit. Also dachte ich, ich komme mal vorbei, seh mir an, ob Sie sich schon eingelebt haben.«
    Wieder klingelte es an der Tür. Dieses Mal war es die Pizza. Ich nahm sie und stellte den Karton auf den Tisch. Kenny sagte:
    »Pizza, toll. Darf ich?«
    »Sicher.«
    Er klappte den Karton auf und machte:
    »Mmmm und Gott sei Dank keine Sardellen ... wie wär’s mit einer schönen Kanne Tee?«
    Ich ging und setzte Wasser auf. Er schrie mir mit vollem Mund hinterher:
    »Die ist aber wirklich gut. Am besten schmeckt sie, wenn sie noch heiß ist.«
    Als ich mit dem Tee wiederkam, hatte er die Hälfte weggeputzt und sagte:
    »Mann, das hab ich gebraucht, hatte kein Mittagessen.«
    Er lehnte sich zurück, rülpste. Ich fragte:
    »Gibt es einen bestimmten Anlass für Ihren Besuch?«
    Er schenkte Tee ein und sagte:
    »Ich hab mal einen Blick in Ihre Akte geworfen. Sie haben drei Jahre

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