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London Boulevard - Kriminalroman

London Boulevard - Kriminalroman

Titel: London Boulevard - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Flur, holte ein Bündel Scheine und übergab es. Norton prüfte die Eintragungen in seinem Buch, zählte das Geld und sagte:
    »Da fehlt was.«
    »Die Woche war schlimm.«
    Mit einem Schschsch brachte er sie zum Schweigen, sagte:
    »Hey, das ist mir scheißegal. Ich sag dir was: Nächste Woche drückst du das Doppelte ab.«
    Sie erklärte sich viel zu schnell einverstanden. Alle drei wussten wir, dass sie es nie zusammenkratzen würde.
    Wir gingen runter in den siebzehnten, und ich fragte:
    »Wie funktioniert das? Ich meine, sieht aus, als würden die sich immer tiefer in die Scheiße reiten.«
    Norton grinste breit - reines Speed, kein Humor - und sagte: »Du hast es erfasst - bist ein Naturtalent. Irgendwann sind sie so weit, dass sie den Mietvertrag rausrücken.«
    »Und dann?«
    »Mach dir da mal keine Sorgen. Wir haben Räumungsspezialisten.«
    »Lass mich raten. Anschließend wird neu vermietet.«
    »Bingo. An Yuppies, die sich eine Wohnung mit Blick auf den Kricketplatz wünschen. Sechs Wohnungen haben wir hier schon.«
    Auf den nächsten drei Stockwerken dieselbe traurige Geschichte. Verzweifelte Frauen aller möglichen Nationalitäten brachten sich mit ihren Versprechungen um Kopf und Kragen. Im zwölften sagte Norton:
    »Diese spanischen Idioten machen nichts wie Ärger.«
    Als die Tür aufging, platzte er in den Flur. Eine Frau schrie:
    »Nada, nada, nada!«
    Norton sah sich um, fragte:
    »Wo ist er, wo ist dein Mann?«
    Die Schlafzimmertür flog auf und ein Mann mit nichts außer grellblauen Boxershorts bekleidet kam rausgerannt. Er raste an mir vorbei in den Gang. Norton war hinter ihm her wie ein Windhund, ein wahnsinniges Grinsen im Gesicht.
    Er wollte abhauen.
    Norton erwischte ihn an der Treppe und zog ihm die Boxershorts runter. Schlug ihm mit der flachen Hand ein halbes Dutzend Mal auf den Arsch.
    Dann trieb er ihn zurück in die Wohnung. Der Mann weinte und sagte:
    »Nehmen Sie den Fernseher.«
    Norton kramte in seiner Sporttasche, zog einen Hammer heraus. Er ging zum Fernseher und zertrümmerte den Bildschirm.
    Er sagte:
    »Hol den Mietvertrag.«
    Das taten sie.
    Im nächsten Stock sagte er:
    »Kurze Auszeit, wir machen Pause.«
    Schweiß strömte ihm aus allen Poren. Er war aufgedreht bis zum Anschlag, sagte:
    »Warte nicht, bis du aufgefordert wirst, Mitch. Du kannst dich jederzeit einschalten, mir helfen.«
    Er knallte sich noch eine Dose Red Bull und eine Pille rein, fragte:
    »Willst du ficken?«
    »Jetzt?«
    »Klar, ein paar von denen lassen dich lieber ran anstatt zu bezahlen.«
    »Ich glaub kaum. Ruft nie jemand die Bullen?«
    »Wach auf, meinst du, die Bullen kommen hierher?«
    Ich drehte eine Kippe, zündete sie an und fragte:
    »Die Kids ... macht dir das nichts aus?«
    »Immerhin lernen sie früh, was Sache ist. Härtet ab.«
    Angewidert blickte er auf meine Selbstgedrehte und sagte:
    »Du musst den Scheiß nicht rauchen. Du spielst jetzt in einer anderen Liga.«
    Ich zuckte mit den Schultern und sagte:
    »Ich mag die.«
    Er holte ein Päckchen Dunhill aus der Tasche, Luxury Blend, steckte eine an und sagte:
    »Darf ich dich was fragen?«
    »Sicher.«
    Er sah sich um, als würden wir abgehört. Der Lärm in dem Gebäude war unglaublich.
    Türen knallten
    Leute schrien
    Kinder heulten und
    Das Ganze war mit Rapmusik unterlegt.
    »Im Gefängnis, wie war das?«
    Ich hätte sagen können: »So wie hier.«
    Aber ich dachte an Tom Kakonis, einen amerikanischen Krimiautor, der genau verstanden hatte, was Knast ist. Er schrieb:
    Man konnte es Dschungelreich, Spiegelkabinett, Königreich der Soziopathen, Land der Raserei nennen, wo der Verrat die Norm, Rache die Waffe ist und wo Barmherzigkeit nie begriffen wird oder längst vergessen ist. Oder es war ein Rohrende, mit voller Wucht ins Kreuz geschlagen, oder ein Besenstiel im Arsch, ein Bolzen zwischen die Rippen. Es bedeutet, dass man völlig alleine ist, dass absolut niemand da ist, der einen schützt.
    Norton erzählte ich nichts davon; stattdessen sagte ich:
    »Vor allem langweilig.«
    »Ach was?«
    »Kein großes Ding.«
    Nachdem er ausgetrunken hatte, zerdrückte er die Dose, warf sie die Treppe hinunter. Sie nahm jede einzelne Stufe mit. Ich konnte sie scheppern hören, wie die Schreie von Irren in einer Anstalt.
    Im neunten Stock gerieten wir in Turbulenzen. Norton zog gerade seine Nummer mit einer schwarzen Frau durch, als deren Mann auf ihn zu marschierte, ausholte und Norton mit der Faust seitlich am Kopf erwischte.
    Dann ging er

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