London Killing - Harris, O: London Killing - Belsey Bottoms Out
was er da tat.
Die Straße war menschenleer. Die Fantasiehäuser lagen dunkel hinter ihren Toren. Es hatte den Anschein, als ob ein Teil der Fantasie darin bestünde, dass man nicht mal darin zu wohnen, nicht mal in seinem eigenen Leben anwesend zu sein brauchte. Vor den größeren Häusern schliefen die Wachmänner in ihren Verschlägen. Wasserspiele sangen der Nacht ein leises Lied. Nummer siebenunddreißig war von der Straße zurückgesetzt, in Dunkelheit gehüllt, trauernd. Belsey drückte auf die Klingel. Er glaubte Schatten zu sehen, den Geist von Alex Devereux, der sich der Gegensprechanlage näherte und sich dann wieder zurückzog. Das Haus kam ihm jetzt noch größer vor, die Leere lastete auf ihm. Belsey schloss das Tor auf und betrat das Grundstück. Er ging die Treppenstufen hinauf und klopfte. Er wartete kurz, schloss die Haustür auf und blieb einen Moment lang auf der Schwelle stehen. Er ging hinein, setzte sich in der Halle auf einen Stuhl und wartete, bis seine Augen sich an das Halbdunkel gewöhnt hatten. Dann stand er auf und machte sich mit der Alarmanlage vertraut, überzeugte sich, dass sie ausgeschaltet war, und schloss die Haustür.
Belsey machte kein Licht. Er tastete sich durch die grauen Schatten des Luxus in das obere Stockwerk hinauf und öffnete die Tür, die aufs Dach hinausführte. Dunstiges Mondlicht schien auf die sich träge riffelnde Oberfläche des Wassers im Pool. Es sah aus wie Sirup. Belsey stieg aus seinen Klamotten und sprang kopfüber hinein.
Das Wasser war eiskalt. Belsey tauchte keuchend wieder auf. Aber der nackte Körper in dem kalten Wasser fühlte sich gut an. Es machte ihn wach. Er ließ sich auf dem Rücken treiben und schaute hinauf in den Lichtsmog. Er hatte das Gefühl, als sei das Wasser selbst eine Art von Reichtum und er lasse sich darin treiben.
Belsey schwamm ein paar Längen, trocknete sich ab und ging hinunter in die Küche. Er machte sich eine Dosensuppe warm und trug den Teller mit etwas Brot und Käse ins Wohnzimmer. Auf dem Bildschirm des Fernsehers schaute er seiner Silhouette beim Essen zu. Dann stand er auf, öffnete die Terrassentür und trat ins Freie. Ein Überwachungsschein werfer leuchtete auf. Die Pflanzen und Gartenmöbel wirkten erstarrt, als hätte man sie bei einer nächtlichen Verschwörung ertappt. Ein Fuchs fixierte ihn. Hallo, mein Freund. Belsey ging in die Hocke, worauf der Fuchs ins Unterholz verschwand.
Der Garten war von einem hohen Holzzaun umgeben, der an jeder Ecke mit Kameras bestückt war. Belsey fragte sich, wo die Bänder aufbewahrt wurden. Er sah einen kleinen Pavillon und einen Steingarten mit flachen Tümpeln, deren dunkles Wasser zu einem Teich zusammenfloss. Fische sah er keine. Er ging wieder ins Haus, machte die Tür zu und wischte – was ihn selbst überraschte – mit einem Zipfel des Vorhangs seine Fingerabdrücke vom Türgriff. Was machte er hier? Er erkundete das Haus und suchte in der Stille nach einem bleibenden Eindruck, den Devereux hinterlassen haben könnte. Er kam in einen Raum, in dem nur ein Spieltisch stand. Darauf lagen mit der Vorderseite nach unten zwei akkurat zusammengelegte Pakete Spielkarten. Hinter einer Tür im Keller verbarg sich ein kleines, feucht riechendes Kino mit drei Reihen Klappsesseln. Es gab auch ein Bad im Keller, mit einem in die Wand eingelassenen Fernseher und jeder Menge farbiger Fläschchen neben dem Waschbecken.
Belsey ging zurück ins Schlafzimmer. Auf dem Nachttisch lag neben dem schnurlosen Telefon ein Buch mit dem Titel Die zehn Geheimnisse des Zeitmanagements . Tja, eins der Geheimnisse des Zeitmanagements hast du ja schon entdeckt, dachte Belsey. Er ging in die Hocke und roch an der Bettwäsche. Er schnüffelte an den Kleidungsstücken im Schrank und roch Zigarrenrauch und ein schweres Aftershave, das er nicht kannte. Nirgendwo hing oder stand ein Foto. Viel leicht hatte er sie mitgenommen. In der Eingangshalle und im Arbeitszimmer waren Überwachungskameras installiert, aber die Systemsteuerung oder die Festplatte für die Aufnah men fand er nicht. Ein raumhoher Spiegel bedeckte den mittleren Teil der rechten Schlafzimmerwand. Belsey be wunderte eine Zeit lang das polierte Glas, in dem sich das Schlafzimmer spiegelte, und probierte Devereux’ Garderobe an: Hemden mit Doppelmanschette, breite, altmodische Krawatten.
Er ging nach unten in die Küche, kippte den Inhalt des Mülleimers auf den Boden und stocherte mit dem Fuß darin herum: Werbung und Kataloge.
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