London Road - Geheime Leidenschaft
verhielt sich mir gegenüber wie ein echter Vater und weigerte sich, mich für irgendetwas bezahlen zu lassen. Er gab mir väterliche Ratschläge und zog mich gnadenlos auf, genau wie früher. Mit ihm zusammen zu sein gab mir das alte Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit zurück. Das Gefühl, so akzeptiert zu werden, wie ich war. Außerdem begutachtete er die Renovierungsarbeiten, die ich in unserer Wohnung vorgenommen hatte, und war genau wie Cam der Ansicht, dass ich Talent besäße. Bis vor kurzem hatte mir noch nie jemand gesagt, dass ich Talent für irgendetwas besaß, und jetzt bekam ich es gleich von den zwei wichtigsten Männern in meinem Leben zu hören.
Ich kann gar nicht beschreiben, wie gut mir das tat.
In der zweiten Woche sah ich weniger von Mick und Olivia. Mick hatte beschlossen, seine Tochter mit dem kulturellen Erbe seiner Heimat bekannt zu machen, deshalb waren sie für ein paar Tage verreist und hatten sich ein Zimmer in einem Gasthaus am Loch Lomond gemietet. Immerhin erlaubte mir dies, mich ganz auf meinen neuen Job zu konzentrieren. Allzu schwierig war er nicht. Braden hatte mir eine Stelle als Bürokraft besorgt, außerdem half ich bei Bedarf am Empfang aus. Es war ein viel lebendigerer Arbeitsplatz als mein alter. In einem Büro saßen die Makler, im anderen die Bürokräfte, doch es herrschte ein ständiges Kommen und Gehen, und es gab eine Handvoll junger, gutaussehender Immobilienmakler, die gerne mit den weiblichen Büroangestellten flirteten.
Ihre Reaktion auf mich war fast schon komisch gewesen. Ein neues Spielzeug! Bloß, dass meine innere Verführerin, seit ich mit Cam zusammen war, einiges von ihrem ursprünglichen Flair eingebüßt hatte. Ja, im Lächeln und Smalltalken konnte ich es nach wie vor mit den Besten aufnehmen, aber meine Blicke waren nicht mehr so eindeutig und mein Lächeln nicht mehr so unverhohlen verführerisch wie früher. Ich war nicht länger permanent auf der Suche nach Plan B. Ich wollte gar keinen Plan B mehr.
Alles, was ich wollte, hatte ich bereits, und zwar in Gestalt eines zum Haareraufen klugen, leicht arroganten, aber humorvollen und geduldigen Tattoo-Typen.
Da ich seit neuestem montags, mittwochs und donnerstags in Bradens Immobilienfirma arbeitete und dienstags, donnerstags und freitags meine üblichen Schichten in der Bar schob, sah ich Cam nur selten, zumal er in seiner Agentur gerade ein neues Projekt angefangen hatte, das seine gesamte Zeit in Anspruch nahm. Da er abends jetzt wieder regelmäßig zum Judo ging, trafen wir uns wenigstens kurz, wenn er heraufkam, um Cole abzuholen. Am Mittwochabend hatten wir uns in seiner Wohnung verabredet, doch als ich dort ankam, war er bereits an seinem Zeichentisch eingeschlafen. Ich musste ihn sanft wachrütteln, um ihn ins Bett zu bringen. Er schlang einen überraschend starken Arm um mich und zog mich zu sich herunter. Ich ließ es geschehen und genoss seine Nähe, auch wenn er nur halb bei Bewusstsein war. Irgendwann wurde sein Arm immer schwerer, und ich schlüpfte vorsichtig aus dem Bett, ohne dass er davon wach geworden wäre.
Als der Samstag kam, hatte ich regelrechte Entzugserscheinungen. Ich wollte nicht wie diese klammernden Frauen sein, die ihren Männern keinerlei Freiraum ließen, und eigentlich hätte ich auch nie vermutet, dass so etwas in mir steckte. Aber Cam fehlte mir so, und ich hatte mich daran gewöhnt, viel Zeit mit ihm zu verbringen, mit ihm zu reden, zu lachen oder einfach nur in kameradschaftlichem Schweigen dazusitzen – oder phänomenalen Sex zu haben.
Es war gerade mal eine Woche.
Ich war ein echter Junkie.
Am Samstag sollte Joss’ und Bradens Verlobungsfeier stattfinden, und da ich die meisten meiner teuren Kleider auf eBay versteigert hatte, wollte ich mir von meinem geschrumpften Budget etwas Neues gönnen.
Zu meinem Erstaunen erbot sich Cam, mich zu begleiten.
Es stellte sich allerdings schnell heraus, dass er Shoppen hasste.
»Warum bist du dann mitgekommen?«, fragte ich ihn lachend, als er missmutig bei Topshop in einer Ecke hockte.
Sofort nahm er meine Hand und zog mich aus dem Laden auf die Straße. »Weil ich dich vermisse«, gestand er völlig ohne Scheu. »Und wenn ich durch die Hölle gehen muss, um bei dir zu sein, dann ist das eben so.«
Ich fand, dass er für seine Tapferkeit einen Kuss verdient hatte, und gab ihm einen mitten auf der Princes Street. Als er mich daraufhin in seine Arme riss und mich so fest an sich drückte, dass ich fast keine
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